Angststörung / Panikstörungen
Dr. Frank Schäfer | 25.02.2025 08:27 Uhr
1. Überblick
Es gibt verschiedene Formen von Angsterkrankungen, eine davon ist die Panikstörung mit wiederholt auftretenden Panikattacken. Mitunter allerdings kommen diese auch bei anderen Angsterkrankungen vor. Zusätzlich kann bei Menschen, die von einer Panikstörung betroffen sind, eine Agoraphobie vorliegen. Das ist dann der Fall, wenn sie zunehmend Orte und Situationen meiden, von oder aus denen sie fürchten, nicht leicht wieder entkommen zu können und dort eventuell eher eine Panikattacke zu erleiden. Unter einer Panikstörung mit oder ohne Agoraphobie leiden etwa fünf von hundert Menschen zumindest einmal im Leben.
2. Symptome und Verlauf
Bei einer Panikstörung haben Betroffene über Monate und Jahre situationsunabhängig Panikattacken mit starker Angst. Letztere ruft körperliche Beschwerden hervor wie Brustschmerz, Herzrasen, Zittern, Luftnot, Schwindel, Missempfindungen, Übelkeit oder Schwitzen, die wiederum die Angst weiter steigern. Betroffene haben Furcht, organisch schwer krank zu sein, zu sterben oder verrückt zu werden. Die sehr belastenden Attacken dauern wenige Minuten bis schlimmstenfalls einige Stunden – meist aber nicht länger als etwa 30 Minuten. Doch auch in der Zeit zwischen solchen Attacken fürchten sich Betroffene mitunter vor der nächsten Attacke, entwickeln also Angst vor der Angst. Mit der Zeit kann es dahin kommen, dass Betroffene nicht hilfreiches Schonverhalten zeigen und außerdem Situationen und Orte meiden, an denen sie fürchten, den Ort nicht schnell verlassen zu können oder dort wahrscheinlicher eine Panikattacke zu erleben. Es kann sich bei diesen Orten etwa um Geschäfte, Fahrstühle oder Busse und Bahnen handeln. Experten sprechen von Agoraphobie. In schwerwiegenden Fällen isolieren sich Betroffene durch Vermeidungsverhalten stark, was Ängste aufrechterhalten oder verstärken kann. Zudem steigt dadurch das Risiko weiterer psychischer Erkrankungen wie Depressionen.
3. Ursachen
Gemäß einer Fachleitlinie zu Angsterkrankungen ziehen Experten für diese Leiden mehrere mögliche Einflussfaktoren in Betracht, so etwa angeborene Veranlagungen. In Zwillingsstudien zeigten sich Einflüsse von Erbfaktoren auch bei der Panikstörung und Agoraphobie. Es bestehen zwischen Angstpatienten und gesunden Kontrollpersonen zudem Unterschiede in Hinblick auf Hirnbotenstoffe wie Serotonin. Außerdem spielen der Leitlinie zufolge psychosoziale Faktoren eine große Rolle, etwa stark angstauslösende Erlebnisse in der Kindheit und Jugend oder sehr belastende Lebensereignisse wie der Tod naher Angehöriger. Weiterhin steigern andere psychische oder chronische körperliche Erkrankungen das Risiko für Angststörungen. Und diese können sich gegenseitig fördern. Ein weiterer Faktor für Angst- und Panikstörungen ist multipler Dauerstress. Bei der Panikstörung speziell geht man davon aus, dass ängstliche Menschen zunächst als harmlos wahrgenommene Schwankungen körperlicher Funktionen wie der Herzschlagrate zunehmend als bedrohlicher empfinden. Bei einer Panikattacke schaukeln sich dann Angst und durch sie verursachte körperliche Symptome ungebremst gegenseitig hoch.
4. Diagnose
Wer unter Ängsten mit körperlichen Beschwerden leidet, geht am besten zunächst zum Hausarzt. Er untersucht, ob eine organische Erkrankung vorliegt. Die bei Panikattacken auftretenden Symptome können ähnlich zum Beispiel auch bei Asthma, Herzrhythmusstörungen, Herzgefäßleiden wie Angina pectoris, Hormonstörungen etwa bei Schilddrüsen-Fehlfunktionen oder neurologischen Leiden wie Migräne vorkommen. Sind Betroffene körperlich gesund, haben aber Ängste oder gar Panikattacken, die ihren Lebensalltag einschränken, können sie sich an einen Psychotherapeuten wenden. Dieser kann herausfinden, um welche Störung es sich handelt, was sie fördert und aufrechterhält oder welche weiteren psychischen Erkrankungen zusammen mit der Angsterkrankung vorliegen.
5. Therapie
Psychotherapeuten können bei Angsterkrankungen verschiedene Behandlungsmöglichkeiten nutzen, abhängig von Art und Ausprägung der Erkrankung und individuellen Faktoren, zum Beispiel zusätzlichen psychischen Problemen oder Arznei- und Suchtmittelmissbrauch. Bei einer konsequenten, guten Therapie kann Betroffenen in etwa 90 Prozent der Fälle gut geholfen werden.
5.1 Kognitive Verhaltenstherapie
Psychotherapie ist nicht gleich Psychotherapie: Es gibt ganz unterschiedliche psychotherapeutische Möglichkeiten zur Behandlung einer Angststörung. Als besonders effektiv hat sich die kognitive Verhaltenstherapie erwiesen.
Bei der kognitiven Verhaltenstherapie lernen Patienten mit Panikstörungen mehr über dieses Störungsbild mit den dabei auftretenden körperlichen Reaktionen und wie sie diese Reaktionen und die Angst besser beherrschen können. Bei der Agoraphobie erfolgen gut vorbereitete Konfrontationen mit angstauslösenden Situationen mit dem Ziel, dass Betroffene sich an die Situationen gewöhnen und darin keine Panik mehr bekommen. Der Grundgedanke der Verhaltenstherapie gegen Angsterkrankungen ist stets der, dass übersteigerte Angstreaktionen im Laufe des Lebens „gelernt“ wurden und daher auch wieder „verlernt“ werden können. Wichtig sind dabei auch Mittel und Wege, um Rückfällen vorzubeugen oder mit ihnen umzugehen.
Für eine ambulante Psychotherapie besteht der erste Schritt darin, bei einem Therapeuten eine Sprechstunde zu vereinbaren. In dringenden Fällen kann dann eine Akutbehandlung erfolgen, in Behandlungseinheiten von in der Regel jeweils 50 Minuten (maximal 12 Einheiten). Oder es finden zwei bis vier probatorischen Sitzungen zur Einleitung einer Kurzzeit- oder Langzeittherapie statt. Letztere erfordert – damit gesetzliche Krankenkassen die Kosten übernehmen – eine Begutachtung.
5.2 Psychodynamische Verfahren
Zu den psychodynamischen Verfahren zählen die tiefenpsychologisch fundierte und die analytische Psychotherapie. Beide Therapieformen gehen auf die Psychoanalyse zurück und nehmen deutlich mehr Zeit in Anspruch als eine Verhaltenstherapie; bis zum Abschluss der Behandlung können mehrere Jahre vergehen. Ansatz der psychodynamischen Verfahren ist, dass unbewusste innere Konflikte die Angststörung auslösen. Entsprechend ist das Ziel der Therapie, diese Konflikte aufzudecken und zu lösen. Psychodynamische Verfahren werden empfohlen, wenn die kognitive Verhaltenstherapie nicht erfolgreich war oder wenn der Betroffene diesen Ansatz bevorzugt.
Neben Verhaltenstherapie und psychodynamischen Therapien gibt es noch viele weitere Ansätze, die nicht alle von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden.
5.3 Medikamente gegen Angststörung
Bei Bedarf gibt es im Rahmen der Therapie die Option, dass ein Arzt Arzneimittel verordnet, die den Hirnstoffwechsel beeinflussen. Oft handelt es sich dabei um Antidepressiva, die eine beruhigende und angstlösende Wirkung haben. Sie beeinflussen die Konzentration unterschiedlicher Botenstoffe im Gehirn, u.a. von Serotonin oder Noradrenalin. Es gibt unterschiedliche Antidepressiva, die bei einer Angststörung empfohlen werden, so vor allem:
- Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI),
- Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI),
- Trizyklische Antidepressiva (TZA) oder
- Moclobemid
Antidepressiva wirken nicht sofort – es dauert mindestens zwei Wochen, bis der volle Effekt zu spüren ist.
Neben den Antidepressiva können auch weitere Wirkstoffe bei einer Angststörung verschrieben werden, zum Beispiel
- Pregabalin,
- Opipramol oder
- Buspiron.
Welches Medikament infrage kommt, kann individuell ganz verschieden sein und wird vom behandelnden Arzt entschieden. Dabei kann es nötig sein, unterschiedliche Wirkstoffe zu probieren, da jeder Mensch etwas anders darauf reagiert.
5.4 Unterstützende Behandlungsmöglichkeiten
Neben Psychotherapie und Medikamenten gibt es weitere, unterstützende Möglichkeiten, die dabei helfen, eine Angststörung zu bewältigen. Dazu zählen zum Beispiel:
- Körperliche Bewegung: Mit Sport allein kann man eine Angststörung zwar nicht heilen – Aktivität wirkt sich aber positiv auf das Wohlbefinden aus!
- Entspannungsverfahren: Entspannungsverfahren kommen auch im Rahmen einiger Psychotherapien zum Einsatz. Eine effektive Methode in der Behandlung einer Angststörung ist zum Beispiel die Progressive Muskelanspannung. Fragen Sie Ihren Arzt oder Therapeuten, welches Entspannungsverfahren für Sie infrage kommt!
6. Was die Apotheke rät
Wurden im Rahmen der Therapie von Angsterkrankungen wie etwa der Panikstörung auch Medikamente verordnet, können Apothekenteams Patienten dazu beraten und dabei helfen, unbegründete Ängste vor der Arzneitherapie abzubauen.
Liegen Ängste und innere Unruhe vor, ohne dass es sich um eine Angststörung handelt, können unter anderem rezeptfreie Arzneimittel, auch pflanzliche, Betroffenen helfen. Apotheken bieten solche Mittel und fachkundige Beratung dazu. Arzneimittel ersetzen jedoch nicht Veränderungen des Verhaltens und der Lebenssituation, wo immer sie nötig sind.
7. Angststörung / Panikstörung kurz zusammengefasst
- Zu den Angsterkrankungen zählt die Panikstörung mit wiederholten Panikattacken. Meiden Betroffene dabei zunehmend Orte und Situationen, aus denen sie fürchten, nicht jederzeit gut entkommen zu können oder in denen sie fürchten, leichter eine Panikattacke zu erleiden, sprechen Experten von Agoraphobie. Betroffene haben dann eine Panikstörung mit Agoraphobie.
- Für die Diagnose führt der erste Gang zum Hausarzt, um organische Erkrankungen auszuschließen.
- Psychotherapeuten können Angsterkrankungen und begleitende psychische Leiden feststellen.
- Die Therapie beruht auf psychotherapeutischen Verfahren, in der Regel einer Verhaltenstherapie, und bei Bedarf zudem auf Medikamenten wie etwa Antidepressiva. Eine gute, konsequente Therapie kann der großen Mehrheit der Patienten gut helfen.
Zuletzt aktualisiert: 23. November 2024
Quellen
Leitlinie zu Angststörungen:
Kurzfassung: https://register.awmf.org/assets/guidelines/051-028k_S3_Behandlung-von-Angststoerungen_2021-06.pdf
Langfassung: https://register.awmf.org/assets/guidelines/051-028l_S3_Behandlung-von-Angststoerungen_2021-06.pdf
Einzelquellen zu Angststörungen:
https://www.aerzteblatt.de/archiv/200240/Diagnostik-und-Therapie-von-Angsterkrankungen
https://www.psychiatrie.de/psychische-erkrankungen/angststoerungen.html
https://www.bptk.de/psychische-krankheiten/angststoerungen/
https://www.zi-mannheim.de/fileadmin/user_upload/downloads/lehre/flyer/Flyer-KJP-Angststoerungen.pdf
https://www.rosenfluh.ch/media/psychiatrie-neurologie/2011/03/sympBericht_angststoerungen.pdf
Einzelquellen zur Panikstörung mit/ohne Agoraphobie:
https://blog.uni-koeln.de/angstambulanz/was-ist-eine-panikstoerung-mit-und-ohne-agoraphobie/
https://www.oberbergkliniken.de/krankheitsbilder/angststoerung
https://dorsch.hogrefe.com/stichwort/panikstoerung
https://www.kup.at/kup/pdf/5996.pdf
https://blog.uni-koeln.de/angstambulanz/behandlung/
https://idw-online.de/de/news295667
DiGa zu Panikstörungen:
https://diga.bfarm.de/de/verzeichnis/00329
Angststörung und Depression:
https://www.schlosspark-klinik-dirmstein.de/panikattacke-depression-angst/
Diagnostik:
https://www.thieme-connect.de/products/ejournals/pdf/10.1055/s-0041-101048.pdf
Ablauf Psychotherapie (Sprechstunde/Akutbehandlung/Probatorik usw.):
https://www.psychotherapie.health/psychotherapie-ablauf-phasen/
https://www.praxis-meise.de/richtlinien-psychotherapie/gesetzliche-krankenversicherung/
https://www.tacke-held.de/wissenswertes-zur-beantragung-einer-psychotherapie/