Arthrose: Fitness-Studio lohnt sich
21.11.2018
Jürgen steht auf dem Wackelbrett. Er neigt sich nach links, dann nach rechts und wieder nach links. "Dreimal in der Woche komme ich hierher", erzählt der 73-Jährige aus Bergheim bei Köln. Ein breites Lächeln, ein fester Händedruck, ein offener Blick. "Ich trainiere meine Kraft, meine Ausdauer, aber vor allem mein Gleichgewicht. Das ist besonders wichtig, um Stürzen vorzubeugen."
Auf dem Gelände einer ehemaligen belgischen Kaserne liegt das Trainingszentrum von Professor Dr. Klaus Baum, in dem Jürgen trainiert. Hier geht es anders als in herkömmlichen Fitness-Studios zu. Keine laute Musik, dafür viele private Gespräche über Familie, Freunde, Enkel oder Hobbys. Am Empfang eine Karte mit dem Bild eines Babys. "Ich bin vor Kurzem das erste Mal Großvater geworden", strahlt mich Dr. Baum an, als ich ihn auf das Foto anspreche.
Training mit künstlicher Hüfte kein Problem
Jürgen zählt zu den besonders motivierten Patienten. Vor 26 Jahren bekam er eine künstliche Hüfte und ist damit beweglich, kann gut sein Training absolvieren. "Der Schaft ist nur ziemlich lang. Das muss ich bei Röntgenaufnahmen immer vorher sagen, sonst passt der nicht mit auf die Aufnahme", erzählt er mir grinsend.
Fitness-Studio: Das klingt nach einem Ort, an dem die Schönen und Kräftigen noch athletischer und attraktiver werden wollen. Baum schüttelt den Kopf. "Wer das möchte, liegt bei mir falsch. Hierher kommen Menschen, die etwas für die Gesundheit tun wollen." Dazu gehören Männer wie Jürgen, bei denen die Gelenke im Mittelpunkt stehen. Aber auch Patienten mit Lungen- oder Herz-Kreislauf-Problemen oder Menschen, die allgemein ihre Fitness stärken möchten, finden den Weg zu Baum in den Kölner Westen.
Schmerzmessen mit Smiley
Am Anfang steht das ausführliche Gespräch. Bei Arthrosepatienten fragt Baum nach der Art der Gelenkbeschwerden, aber auch nach dem Ausmaß des Schmerzes. Hierzu verwende er eine einfache Skala. Die Bandbreite reicht von einem lächelnden bis zu einem traurigen Smiley. Hinzu kommen Untersuchungen, etwa ein EKG. Dann erstellt Baum einen persönlichen Trainingsplan.
Zwei-, besser dreimal in der Woche Training – so sieht das Programm aus. Baum: "Einmal in der Woche genügt leider nicht", so der Physiologe. Das Spektrum reicht von klassischen Fitnessgeräten über Kurse wie Pilates bis zu sogenannten Kleingeräten. Etwa dem Wackelbrett, auf dem Jürgen übt. Oder eine Metallplatte, die an Stahlfedern hängt und ebenfalls das Gleichgewicht trainiert.
Weniger Schmerzmittel
"Nicht jeder Patient eignet sich für ein Training. Aber die Mehrzahl der von Arthrose Betroffenen profitiert davon", erklärt Baum. Zum einen kräftigen die Übungen die Muskeln, was das Gelenk entlastet. Zum anderen versorgt die Bewegung den noch verbliebenen Gelenkknorpel mit Nährstoffen. Mehr Knorpel bildet sich durch die Übungen leider nicht. Aber es verbessert sich dessen Struktur, wodurch er Bewegungen wieder besser abfedern kann.
"Erste Ergebnisse können sich bereits nach zehn Sitzungen bemerkbar machen", so Baum. Die Bewegungen fallen nicht mehr so schwer, die Beschwerden nehmen ab. Oft lässt sich mit der Zeit auch in Absprache mit dem Arzt die Dosis der Schmerzmittel herabsetzen. Völlig verschwindet der Schmerz nicht. "Das wäre auch unseriös, das zu versprechen."
Dass sich das Training nicht nur für die Gelenke lohnt, hat Jürgen vor einigen Wochen erlebt. "Ich fuhr mit dem Mountainbike durch den Wald, als mir plötzlich ein Hund hinterherjagte." Er hatte sich von der Leine gerissen und hörte nicht mehr auf sein Frauchen. "Hätte ich da nicht noch einen Zahn zugelegt, hätte der mich bestimmt in die Wade gebissen."
Peter Erik Felzer