Krebstherapie: Gibt es da auch was Pflanzliches?
Apotheker Rüdiger Freund | 22.01.2025 12:48 Uhr
Die Palette der Präparate und Arzneimittel, die ergänzend zur Krebstherapie immer wieder zur Sprache kommen, ist bunt und gewissen Moden unterworfen. Was in einem Jahr hoch gehandelt wird, kann im nächsten Jahr längst durch den nächsten Hype verdrängt worden sein, berichtet Frau Professor Dr. Jutta Hübner bei ihrem Vortrag auf dem pharmacon-Kongress in Schladming, Österreich. Die Internistin und Krebsmedizinerin hat sich auf die Erforschung komplementärer Methoden in der Krebstherapie spezialisiert. Sie klopft mit ihrer Forschungsgruppe die gängigen Empfehlungen ab und hinterfragt die Wirkung nach wissenschaftlichen Kriterien.
Der Hoffnung, man könne Krebswachstum durch komplementäre Methoden nebenwirkungsfrei bremsen, setzt sie einen Dämpfer auf: „Es gibt keine Substanz, die das schafft.“ Doch eine gut gemachte komplementäre Therapie könne einen Beitrag zur Chemo- oder Immuntherapie gegen Krebs leisten, ist sie überzeugt.
Bewegung mindert Nebenwirkungen der Krebstherapie
Nicht gerade ein Präparat, aber doch eine wirksame Maßnahme auf vielen Ebenen, die auch in Studien ihren Effekt gezeigt hat, ist körperliche Bewegung – kurz Sport. Früher hätte man den Patienten geraten, sich während einer Chemotherapie auszuruhen und viel zu liegen, erklärt die Ärztin. Heute wisse man, dass das genau die falsche Herangehensweise war. Durch Sport lassen sich die Nebenwirkungen einer Krebstherapie reduzieren, die Leistungsfähigkeit und Lebensqualität der Patienten verbessern sich spürbar. Darüber hinaus hilft Sport auch, Krebserkrankungen oder ihrem erneuten Aufflammen vorzubeugen. Leider würden die Patienten noch viel zu selten auf die positiven Effekte der Bewegung hingewiesen, sagt Hübner.
Vorsicht, Wechselwirkung!
Bei Präparaten zum Einnehmen ist oft mit Wechselwirkungen zu rechnen. Studien hätten gezeigt, dass bei über der Hälfte der Patienten, die komplementäre Präparate zusätzlich zur Krebstherapie einnehmen, Wechselwirkungen möglich sind und bei über einem Drittel sogar wahrscheinlich. Das Risiko ist größer, wenn die Patienten jünger sind bzw. die Erkrankung schon länger als ein Jahr andauert.
Von antioxidativ wirkenden Nahrungsergänzungen, wie den Vitaminen C, E oder A, raten Fachleute bei Krebs mittlerweile dringend ab, weil sie in Studien das Krebsgeschehen verschlimmert hatten. Bei anderen Substanzen, beispielsweise Selen oder Vitamin D, komme es darauf an, vor der Einnahme mittels Blutuntersuchung zu bestimmen, ob ein Mangel vorliege. Wenn das der Fall sei, könnte eine ausreichende Vitaminzufuhr unter anderem dazu beitragen, dass die Immuntherapie besser wirke. Dies hätten Studien z.B. für die Behandlung von Hautkrebs mit sogenannten Checkpoint-Inhibitoren gezeigt. Selen könnte bei einer Strahlentherapie die Nebenwirkung Durchfall verringern, würde aber laut der Ärztin sonst kaum einen messbaren positiven Effekt zeigen. Mit B-Vitaminen müsse man aufpassen, da sie Aufgaben in der Zellteilung hätten. Ein Effekt, der eine Krebsbehandlung erschweren könnte, da man ja die schnelle Vermehrung der Krebszellen stoppen will.
Bei pflanzlichen Substanzen sieht die Lage ganz ähnlich aus. Beispielsweise wirke Curcumin toxisch auf die Leber und würde so die leberschädigende Nebenwirkung vieler Krebstherapien noch verstärken. Hübner berichtete außerdem über aufwändige Analysen der Studienlage zum Thema Mistel. Obwohl dieser Pflanze seit langer Zeit positive Effekte gegen Krebs nachgesagt werden, zeigten die Studien allesamt keine überzeugenden Nachweise einer Wirksamkeit. In manchen Studien wiesen Patienten, die Mistel zusätzlich bekommen hatten, am Ende schlechtere Ergebnisse auf als vergleichbare Fälle, die ohne den Pflanzenextrakt auskamen. In Einzelfällen traten schwere allergische Reaktionen nach Mistelgabe ein, weswegen die Ärztin diese Arzneimittel sehr kritisch sieht.
Auch von Cannabis in der Krebstherapie riet Hübner ab. In Studien zeigte sich, dass es gegen Tumorschmerzen nicht oder nur unzureichend wirkt. Auch Lebensqualität und psychisches Befinden verbesserten sich bei Patienten, die Cannabis bekamen, nicht. Im Gegenzug steige eher das Risiko für eine Depression.
Ingwer gegen Übelkeit
Über einzelne Arzneipflanzen äußerte sie sich jedoch zurückhaltend positiv. So könne die Einnahme von Ingwer durchaus die Übelkeit, eine sehr häufige Nebenwirkung der Krebstherapie, lindern. Entscheidend sei jedoch, dass er nur zusätzlich und nicht anstatt der ärztlich verordneten Präparate gegen Übelkeit eingesetzt wird. Gegen Durchfall könnten probiotische Präparate von Nutzen sein.
Bei Fatigue, also der bleiernen Müdigkeit, über die Krebspatienten oft klagen, bestehen positive Hinweise für Ginseng. Auch für die entzündungshemmenden Omega-3-Fettsäuren sei eine Wirkung denkbar, da die Fatigue mit Entzündungsvorgängen in Zusammenhang gebracht wird, erklärte Hübner. Allen überlegen sei jedoch Sport: „Es ist das einzige, das hier nachweislich hilft.“
Auch wenn es nicht viele Belege für eine Wirksamkeit komplementärer Verfahren in der Krebstherapie gebe, sprach sich die Ärztin dafür aus, diese Behandlungsform nicht von vornherein außer Acht zu lassen. Solche Verfahren könnten dazu beitragen, den Patienten ein Stück ihrer Autonomie zurückzugeben, denn sie könnten selbst aktiv werden und das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten stärken. „Wir können den Patienten damit helfen, besser durch ihre Therapie zu kommen“, ist Hübner sicher.