Rudi Völler: "Eine Heim-EM bewegt das ganze Land"

aponet.de | 15.06.2024

Kurz vor dem Start der Fußball-Europameisterschaft spricht Fußball-Ikone Rudi Völler über sein Engagement für die Nationalmannschaft, das motivierende Gefühl, im eigenen Land zu spielen, und wie wichtig es ist, an sich und andere zu glauben.
Rudi Völler ist 1990 mit der deutschen Fußball-Nationalmannschaft Weltmeister geworden. image.originalResource.properties.copyright

Herr Völler, Personalverantwortung, Zusammenstellung des Kaders, Unterbringung bei Auswärtsspielen, wichtiger Ansprechpartner für Trainer, Spieler, medizinisches Personal: Ist man als Sportdirektor ein bisschen "Mädchen für alles"?

Völler: Für all diese Bereiche, die Sie angesprochen haben, haben wir Spezialisten im DFB und im Team hinter dem Team der Nationalmannschaft, die mit großer Leidenschaft dafür sorgen, dass Spieler und Trainer sich voll auf das Wesentliche konzentrieren können: auf den Fußball. Ich versuche, ihnen mit meiner Erfahrung dabei zu helfen, stehe in engem Austausch mit dem Trainerteam, mit dem DFBGeschäftsführer Sport Andreas Rettig, mit dem DFB-Präsidenten Bernd Neuendorf. Ich habe ja verschiedene Perspektiven auf den Fußball kennenlernen dürfen, als Spieler, Trainer, Sportdirektor. Ich möchte meinen Teil  dazu beitragen, dass die Nationalmannschaft wieder erfolgreich ist. Deshalb habe ich diese Aufgabe auch übernommen, als ich im vergangenen Jahr gefragt wurde. Ich fühle mich Deutschland, der Nationalmannschaft und dem DFB verpflichtet.

2023 war nicht das Jahr der deutschen Nationalmannschaft. Die ersten Freundschaftsspiele 2024 liefen deutlich besser. Wie lässt sich die Motivation aufrecht erhalten?

Völler: Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass kein Spieler für ein Turnier im eigenen Land extra motiviert werden muss. Ich habe 1988, als die Europameisterschaft zum bisher letzten und einzigen Mal in Deutschland stattfand, selbst als Nationalspieler erleben dürfen, dass eine Heim-EM das ganze Land bewegt. Das ist das Größte, das man als Spieler erleben kann. Ich bin mir sicher, dass die Nationalmannschaft ihre Fans auch in diesem EM-Jahr wieder mit leidenschaftlichem Fußball begeistern wird.

Ob im Fußball oder in anderen Bereichen des Lebens: Wie kann man es schaffen, sich nicht runterziehen zu lassen, wenn etwas mal  nicht so gut läuft?

Völler: Man muss sich durchbeißen, hart arbeiten und so das Glück und den Erfolg wieder erzwingen. Man darf den Glauben an die eigene Stärke und die seiner Mitspieler nicht verlieren, egal, was die anderen sagen. Das war zu meiner aktiven Zeit natürlich etwas einfacher, weil nicht jeder seine Kritik in den sozialen Medien veröffentlichen konnte.

Sie haben selbst sehr erfolgreich in der National-Elf gespielt. Was war Ihr Rezept?

Völler: Ich habe den Fußball geliebt und brauchte keine Extra-Motivation, um in jedem Spiel alles zu geben. Das war meine Einstellung, das habe ich zu Hause so  vorgelebt bekommen. Und natürlich hatte ich das Glück, dass ich an der Seite vieler großartiger Nationalspieler auflaufen durfte. Die deutsche Nationalmannschaft hat immer ihr besonderer Zusammenhalt stark und erfolgreich gemacht. 

Wenn man in die 1980er und 90er-Jahre zurückblickt, hat sich unglaublich viel verändert. Wie würden Sie das für den Fußball  einschätzen? Für das Spiel, aber auch das Miteinander im Team beziehungsweise die einzelnen Spieler?

Völler: Wir haben früher viel mehr gemeinsam im Team unternehmen können, weil nicht jede Kleinigkeit in Echtzeit im Internet auftauchte. Das schweißt zusammen. Es ist heute schon eine Belastung für die jungen Spieler, pausenlos unter Beobachtung zu stehen. Ich möchte nicht mit ihnen tauschen.

Sie sind beliebt wie kaum ein anderer Ex-Fußball-Profi. Worin sehen Sie die Gründe dafür? Liegt es vielleicht auch daran, dass Sie frei  von der Leber weg gesprochen haben, wenn Sie sich über etwas geärgert haben?

Völler: Ich bin ein Junge aus dem Leben. Ich war immer authentisch und habe mich nicht verstellt. 

Welche Rolle gefiel Ihnen besser: als Spieler auf dem Rasen oder als Trainer auf der Bank?

Völler: Ich habe definitiv lieber als Spieler auf dem Platz gestanden. Das war meine schönste Zeit. Ich habe es auch genossen, als Trainer nah an der Mannschaft zu sein und jungen Spielern etwas mitgeben zu können. Aber nichts ersetzt das Gefühl, selbst das Trikot zu tragen.

Zum Zeitpunkt der EM werden Sie 64 Jahre alt sein: Wie halten Sie sich fit?

Völler: Natürlich versuche ich mich einigermaßen in Form zu halten, was gar nicht so leicht ist, wenn man so viel auf Reisen ist wie etwa in diesem Turnierjahr. Fit hält mich vor allem aber meine Familie, meine Kinder sorgen dafür, dass ich auch im Kopf noch beweglich bleibe.

Vielen Dank für das Gespräch!

Die Fragen stellte Hanke Huber.