Smartwatches für Herzensachen

Dr. Frank Schäfer | 01.12.2023

Smartwatches können viel, einige erfassen sogar Herzdaten. Mehr dazu im Interview mit Privatdozent Dr. Shibu Mathew, Leiter der Rhythmologie der Klinik für Kardiologie und Angiologie der Universitätsmedizin Essen.
Smartwatches können unter Umständen Hinweise auf Herzrhythmusstörungen liefern. image.originalResource.properties.copyright

Sind die Messungen zuverlässig?

Mathew: Größere wissenschaftliche Untersuchungen konnten eine präzise Erkennung und Analyse von Vorhofflimmern durch die Geräte belegen. Damit sich die aufgezeichneten Daten aber verlässlich verwenden lassen, ist es wichtig, dass die Patienten ruhig bleiben, um Störungen zu vermeiden. Es kann bei der EKG-Aufzeichnung helfen, den Arm mit der Smartwatch beispielsweise auf ein Bein zu legen und dann mit einem Finger der anderen Hand den Sensor zu berühren. So lassen sich die meisten Stör-Artefakte vermeiden. Eine Aufklärung zum richtigen Umgang mit den Smartwatches und ihrer Messtechnik ist wichtig für ihren erfolgreichen Einsatz.

Auf welche Herzrhythmusstörungen geben Smartwatch-Daten Hinweise?

Mathew: Jede Herzrhythmusstörung, die von einem Patienten wahrgenommen wird, lässt sich durch eine Aktivierung des Gerätes aufzeichnen. Dieses kann dann durch die Pulsmessung und ein EKG wertvolle Hinweise auf Abnormalitäten des Herzrhythmus geben – dass zum Beispiel der Puls zu hoch oder zu niedrig liegt. Auch eine qualitative Analyse ist mittlerweile bei einigen Smartwatches gut möglich: Moderne Geräte können etwa Vorhofflimmern durch den unregelmäßigen Herzschlag gut erkennen. Für alle anderen Herzrhythmusstörungen gibt es jedoch Einschränkungen, da nur ein 1-Kanal-EKG geschrieben wird. Hier sind dann ausführlichere Untersuchungen notwendig, etwa ein 12-Kanal-Ruhe-EKG.

Welchen besonderen Vorteil bieten Smartwatches bei der Diagnose von Vorhofflimmern?

Mathew: Der Patient muss, wenn er ein anfallsartiges Vorhofflimmern bemerkt, erst zum Arzt gehen. Bis er dort angekommen ist, hat er aber meist eieder einen normalen Herzrhythmus und der Arzt misst daher ein unauff älliges EKG. Zur Diagnose aber braucht der Arzt die EKG-Dokumentation eines Vorhofflimmerns. Ein vom Patienten vor dem Arztbesuch mit der Smartwatch im Anfall aufgezeichnetes EKG kann sie liefern. Sofern es in guter Qualität und eindeutig ist, kann der Arzt in gewissen Fällen sofort eine Therapie veranlassen, etwa mit einer Blutverdünnung zur Schlaganfall-Vorsorge. Auch bei der Verlaufskontrolle im Zuge der Therapie hilft eine Smartwatch. Besonders im Fall anfallsartig auftretenden Vorhofflimmerns kann der Patient so jederzeit ein EKG schreiben und den Therapieerfolg mit kontrollieren. Das hilft bei der Anpassung der Therapie.

Kann eine Smartwatch bei der Früherkennung von Vorhofflimmern helfen?

Mathew: Viele Patienten nehmen Vorhofflimmern symptomatisch wahr und können direkt einen Arzt aufsuchen. Andere bemerken jedoch solche Episoden nicht und leben so – ohne es zu wissen – mit einem erhöhten Risiko für eine Schwächung des Herzmuskels, einer Bewusstlosigkeit oder eines Schlaganfalls. Stellt eine solche Person mittels Smartwatch Abnormitäten ihres Pulses fest, kann sie einen Kardiologen aufsuchen, der eine frühzeitige weitergehende Diagnostik und Therapie einleitet.

Was können Smartwaches definitiv nicht leisten?

Mathew: Smartwatches können keine Aussage zu Durchblutungsstörungen des Herzens geben. Sollten Beschwerden wie plötzlicher Druck auf der Brust, Schmerzen im Brustkorb und Luftnot auftreten, ist stets eine sofortige Alarmierung des Rettungsdienstes mit Hinweis auf einen Herzinfarktverdacht notwendig – selbst wenn die Smartwatch ein normales EKG anzeigt. Und auch im Falle einer mit der Smartwatch aufgezeichneten Herzrhythmusstörung ist der Arzt besuch wichtig, um die Messungen zu beurteilen sowie über weitere Untersuchungen und die Therapie zu entscheiden.

Vielen Dank für das Gespräch! Die Fragen stellte Dr. Frank Schäfer.