Alzheimer ist die häufigste Form der Demenz – und betrifft Frauen deutlich häufiger als Männer: Zwei von drei Alzheimer Demenz-Betroffenen sind weiblich. Liegt es vor allem daran, dass Frauen im Schnitt älter werden als Männer? So einfach ist es nicht, zeigt eine neue Zusammenfassung des aktuellen Forschungsstands. “Epidemiologisch sehen wir bei fast allen neurologischen Erkrankungen Unterschiede darin, wie viele Frauen und Männer betroffen sind. Das legt nahe, dass den Unterschieden biologische Ursachen zugrunde liegen müssen”, betont Erstautorin Anna Bonkhoff, Harvard Medical School in Boston, in einer Mitteilung zur Veröffentlichung.
Die Rolle von Hormonen und Wechseljahren
In der Menopause vermutet Bonkhoff ein größeres Teil des Puzzles. In den Wechseljahren produziert der Körper geringere Mengen der Hormone Östrogen und Progesteron als zuvor. Hilft also die Hormonersatztherapie auch gegen Demenz? Es scheint auf das Alter der Frauen anzukommen: Eine Forschungskollegin stellte fest, dass bei Frauen nach dem 70. Lebensjahr die Therapie mit einer Ansammlung schädlicher Proteine im Gehirn einherging. Diese Frauen bauten auch geistig stärker ab. Bei jüngeren Frauen dagegen scheint eine Hormontherapie schützend zu wirken.
Und die Genetik?
Ein wichtiger Ansatzpunkt der Forschung liegt in der DNA: Sie vermuten einen Zusammenhang zu den Geschlechtschromosomen. Frauen haben zwei X-Chromosomen, Männer ein X- und ein Y-Chromosom. Im Vergleich zum X-Chromosom liegen auf dem Y-Chromosom nur wenige Gene. Die bei Frauen doppelt vorhandenen Gene sind auf einem der X-Chromosome stummgeschaltet. Die Stummschaltung ist jedoch nicht hundertprozentig, so dass einige Gene trotzdem aktiv bleiben. „Viele Gene für das Immunsystem und die Regulierung der Gehirnstruktur befinden sich auf dem X-Chromosom, daher unterscheiden sich die Dosierungen bei Männern und Frauen in gewissem Maße. Das scheint einen Effekt zu haben“, vermutet Bonkhoff.
Was bedeutet das für die Alzheimer-Therapie?
Herauszufinden, wie biologische Geschlechtsunterschiede das Risiko von Alzheimer Demenz beeinflussen, helfe, die Krankheit generell zu verstehen. Dieses Verständnis könnte zu neuen Wegen der Behandlung und Prävention führen, ist sich das Forschungsteam sicher. “Es ist ein wichtiges Ziel der Medizin, erst zu verstehen, und dann Neuerungen für Prävention und Therapie umzusetzen”, erklärte Bokhoff. “Falls wir Wege finden, die Behandlung für Männer und Frauen mithilfe der Geschlechtsunterschiede zu optimieren, wäre das ein überragender Fortschritt.”
Quelle: DOI 10.1126/sciadv.adt9243