Thema der Woche: Wohlfühlen in den Wechseljahren

14.07.2016

Ab Mitte 40 spüren die meisten Frauen, dass sich in Körper und Bewusstsein etwas verändert: Die Regel macht sich rar oder kommt viel zu oft und dann mit Macht. Die Stimmung kann schwanken wie einst in Teenietagen, das Selbstverständnis gerät nicht selten ins Wanken. Der Körper leitet den Wechsel ein. Einige Frauen leiden in dieser Zeit unter vielfältigen Beschwerden. Was dagegen hilft, lesen Sie im aktuellen Thema der Woche.
Die gute Nachricht: Jede dritte Frau bekommt von ihren Wechseljahren so gut wie nichts mit. image.originalResource.properties.copyright

Etwa 30 von 100 Frauen bekommen nicht mit, wenn der Organismus die Zeit nach der Fruchtbarkeit einleitet. Warum das so ist, wissen Fachleute nicht. Um die 40 Prozent der Frauen merken milde Symptome des Wechsels, 30 Prozent leiden dagegen unter ausgeprägten Beschwerden. Klassisch sind Hitzewallungen, Schlaflosigkeit, innere Unruhe, Stimmungsschwankungen, Gewichtszunahme, Scheidentrockenheit, manchmal weniger Verlangen nach Sex. Alles Gründe, sich mehr als unwohl zu fühlen und zu fragen, was dagegen helfen kann. Außerdem steigt nun das Risiko für Knochenschwund, die Osteoporose, und für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Hormonersatz möglich

Logisch scheint: zu ersetzen, was der Organismus immer weniger herstellt: weibliche Sexualhormone. Allerdings ist die Hormontherapie früherer Zeiten in Verruf geraten, nachdem Studien zeigten, dass Frauen davon Schaden nehmen können: mehr Herzinfarkte, mehr Schlaganfälle, mehr Brustkrebserkrankungen, mehr Eierstockkrebs als bei Frauen, die keine Hormone einnahmen. Nach einigen Jahren der Verteufelung von Hormonen in der Öffentlichkeit hat sich mittlerweile ein differenzierteres Bild durchgesetzt.

Wenn Ärzte heute Hormone wegen der Wechseljahre verordnen, dann in deutlich geringerer Dosierung als bei damaligen Hormontherapien und nur über einen möglichst kurzen Zeitraum. Zur Behandlung stehen Gele und Hormonpflaster zum Auftragen auf die Haut vor der Therapie mit Tabletten. Diese Arzneiformen schonen die Leber und erlauben geringere Dosierungen, die im Falle eines Gels sehr gut individuell gesteuert werden können. Heutige Hormonersatztherapien kommen auch nur bei großem Leidensdruck der Frauen zum Einsatz, etwa bei starken Hitzewallungen, häufigem Durchschwitzen der Kleidung, starken Schlafstörungen oder Depressionen. Auch Frauen, die vor dem 45. Lebensjahr in die Wechseljahre kommen, erhalten häufiger eine Hormontherapie, vor allem, um eine frühzeitige Osteoporose zu vermeiden.

Frauen mit Gebärmutter dürfen Östrogene nur nehmen, wenn sie auch Progesteron beziehungsweise ein synthetisches Gestagen bekommen. Sonst kann die Gebärmutterschleimhaut unter dem Einfluss von Östrogen unkontrolliert wuchern und sich womöglich zu Tumorgewebe entwickeln. Frauen, denen die Gebärmutter entfernt wurde, brauchen das Gestagen zum Östrogen nicht. Wie jede Therapie mit Medikamenten birgt auch die heutige Hormontherapie Risiken. So steigt etwa das Brustkrebsrisiko an. Auch die Gefahr, Eierstockkrebs zu entwickeln, nimmt zu, ebenso wie die von Thrombosen.

Nicht ohne Beratung

Deshalb sollten sich Frauen mit ausgeprägten Wechseljahresbeschwerden gut beraten lassen. Der Arzt klärt dabei vor allem auch bereits vorhandene Gesundheitsrisiken ab: Raucht eine Frau? Hat sie starkes Übergewicht? Hatte sie bereits eine Krebserkrankung oder eine Thrombose? Gibt es eine entsprechende familiäre Belastung? Bei all diesen Punkten ist von einer Hormonersatztherapie abzuraten. Für gesunde Frauen kann sie sich jedoch eignen.

Leidet eine Frau vor allem unter Scheidentrockenheit, braucht sie die Hormone nicht im ganzen Köbrper, sondern nur lokal in der Scheide. Hierfür gibt es Zäpfchen oder Tabletten, die Östrogenabkömmlinge enthalten. Sie bauen die Schleimhäute wieder auf, machen sie elastischer und regen die Produktion des natürlichen Scheidensekrets an. Dadurch verringern sich Schmerzen beim Sex. Auch gegen Blasenentzündungen kommen diese lokalen Östrogene zum Einsatz.

Klar ist: Hormone helfen gegen die Beschwerden in den Wechseljahren, und zwar umso besser, je ausgeprägter die Symptome waren. Die meisten Frauen spüren schnell, dass es ihnen besser geht.

Gute Alternativen

Doch auch ohne Hormone gibt es ausreichend Mittel gegen die einzelnen Symptome der Wechseljahre. Gegen depressive Verstimmungen unterschiedlichen Ausmaßes helfen Antidepressiva. Diese Arzneistoffe machen nicht abhängig. Als pflanzliche Alternative steht bei leichten und mittelschweren Depressionen Johanniskraut zur Verfügung. Innere Unruhe und Schlafstörungen mildern natürliche Beruhigungsmittel, etwa Präparate mit Lavendelextrakt oder solche, die Baldrian, Hopfen, Passionsblume oder Melisse enthalten. Salbeiextrakt in Form von Tabletten kann das starke Schwitzen bremsen. Ein Versuch mit Akupunktur kann ebenfalls lohnen. Präparate mit Extrakten der Traubensilberkerze oder des Mönchspfeffers können gegen den gesamten Komplex der Wechseljahresbeschwerden helfen.

Weniger Lust auf Sex wird kontrovers diskutiert, denn in das Wechseljahresalter fallen bei vielen Frauen weitere Lebenseinschnitte, die seelische und körperliche Kraft fordern: Die Kinder gehen aus dem Haus, die eigenen Eltern brauchen mehr Aufmerksamkeit, wenn nicht gar Pflege, Ehen zerbrechen. Auch diese Herausforderungen können die Freude an der Sexualität mindern. Die Selbsteinschätzung spielt ebenfalls hinein. Wer seinen Körper nun alt und nicht mehr attraktiv findet, blockiert sich selbst in seiner Körperlichkeit. Auch Frauen, die an Gewicht zulegen, fühlen sich weniger attraktiv. Das schmälert das eigene Begehren.

Disziplin gefragt

Die häufig mit den Wechseljahren einhergehende Gewichtszunahme hat mehrere Gründe: Der Eisprung kostete den Körper täglich etwa 300 Kalorien. Fehlt er, setzt diese nun nicht verbrauchte Energie schnell an. Außerdem nimmt die Muskelmasse mit zunehmendem Alter ab. Muskeln "futtern" aber Energie. Je weniger Muskulatur, desto leichter werden überschüssige Kalorien als Fett gespeichert. Das bedeutet: Wer auch über die Wechseljahre hinaus möglichst seine Figur behalten möchte, braucht Disziplin, um die Ernährung so umzustellen, dass sie weniger Kalorien enthält. Zweiter wichtiger Schlankfaktor: Bewegung und Kraftaufbau. Am besten eignet sich ein kombiniertes Ausdauer- und Krafttraining. Sport gilt als ein Universalmittel gegen Wechseljahresbeschwerden. Beide, eine ausgewogene Ernährung und Sport, kommen auch Herz und Kreislauf zugute. Bis zu den Wechseljahren schützt körpereigenes Östrogen Frauen meist vor Herzinfarkt und Schlaganfall. Danach steigt die Gefahr deutlich an.

Die Chancen sehen

Die Wechseljahre konfrontieren zwar mit dem Älterwerden, der Abschied aus der fruchtbaren Lebensphase kann schwerfallen, aber es bieten sich immer noch zahlreiche Chancen. So starten Frauen nicht selten noch einmal beruflich oder privat ganz neu durch, wissen deutlich, was sie mögen und wollen und was nicht, lassen sich nicht mehr so schnell zum Schweigen bringen und stehen fest im Leben. Alte Werte werden beleuchtet und eventuell neue etabliert. Das reifere Alter – eine Phase, die oft mehr Tiefe in das eigene Frauenleben bringt.

Apothekerin Isabel Weinert