Werden sie für alle Menschen mit Diabetes geeignet sein?
Ludwig: Grundsätzlich könnten smarte Insuline für alle Patienten mit einem Insulinmangel interessant sein – und zwar sowohl beim Diabetes mellitus Typ 1 als auch beim Typ 2. Bei Letzterem haben wir heute zum Glück hochwirksame Medikamente für die Behandlung zur Verfügung, die im Sinne einer Stufentherapie eingesetzt werden, bei der das Insulin nicht an erster Stelle der Behandlung steht.
Es wird ja auch an Systemen geforscht, die gleichzeitig Insulin und Glukagon abgeben können. Was verbirgt sich dahinter?
Ludwig: Es geht darum, bihormonale Insulinpumpensysteme zu entwickeln. Über sie kann nicht nur Insulin abgegeben werden, sondern auch Glukagon, das ist der Gegenspieler des Insulins. Die Idee ist, mit Insulin einen Blutzuckeranstieg zu verhindern und durch das Glukagon eine Art "Bremse" für den Blutzuckerabfall einzubauen. Dies wäre eine Weiterentwicklung der sogenannten AID-Systeme zur automatischen Insulindosierung. Dabei kommuniziert derzeit ein Sensor zur Glukosemessung direkt mit einer Insulinpumpe und steuert ihren Einsatz. Bei bihormonalen Systemen soll eine zweite Ampulle mit Glukagon hinzukommen. Mit dessen Hilfe kann das Insulin quasi ausgebremst werden. Das könnte sogar das lästige Zählen von Kohlenhydraten überflüssig machen. Allerdings ist Glukagon nicht so stabil wie Insulin. Das führt bei den Prototypen zurzeit dazu, dass die Ampulle täglich gewechselt werden muss. Es bleibt noch eine Herausforderung, die Anwendung stabil und sicher zu machen.
Insuline sind allerdings heute schon viel potenter als diejenigen, die vor einigen Jahren eingesetzt wurden, richtig?
Ludwig: Bei den analogen Insulinen, die Patientinnen und Patienten heute verwenden, können wir den Wirkzeitraum viel besser kontrollieren. Es gibt ultraschnelle Mahlzeiteninsuline und lang bis sehr lang wirksame Insuline, die zukünftig sogar nur einmal pro Woche gegeben werden müssen. Auch gibt es inzwischen Präparate, in denen ein Insulin mit einem anderen Wirkstoff kombiniert wird. Eine spektakuläre neue Entwicklung deutet sich mit sogenannten organspezifischen Insulinen an, die zum Beispiel direkt auf Leber oder Gehirn einwirken können. Dadurch wäre es möglich, beispielsweise im Gehirn auf die Appetitentwicklung einzuwirken. Dies sind sehr attraktive Ansätze, die aber noch in den Kinderschuhen stecken.
Vielen Dank für das Gespräch!