Andrea Sawatzki zählt zu den bekanntesten Schauspielerinnen Deutschlands. Im Interview verrät sie, weshalb Märchen gut sind und wie die Alzheimer-Erkrankung ihres Vaters verlief, über den sie ein Buch geschrieben hat.
Haben Sie früher selbst Märchen vorgelesen bekommen?
Andrea Sawatzki: Meine Mutter hat mir immer sehr viel vorgelesen, nicht nur Märchen, sondern auch viele Bücher von Astrid Lindgren. Ich mag vor allem die Märchen von Hans Christian Andersen. Die sind zwar sehr traurig, aber sie bewegen vieles in mir wie zum Beispiel "Das Mädchen mit den Schwefelhölzern".
Einige Märchen, etwa wenn man die Originale von den Gebrüdern Grimm liest, sind aber sehr brutal.
Andrea Sawatzki:Absolut. Es wird ja auch immer wieder darüber diskutiert, ob manche Märchen den Kleinen nicht zu viel Angst machen. Ich glaube aber, dass Kinder auch beängstigende Inhalte sehr gut verarbeiten können, wenn man sich die Zeit nimmt, im Nachhinein über das Gelesene zu sprechen. Es ist eine Chance für Kinder, auch ihre eigenen Ängste zu äußern. Und Märchen können auch eine Warnung fürs Leben sein. Die Kinder lernen dadurch, dass überall Gefahren lauern können und man nicht jedem Menschen vertrauen darf. Ich habe auch meinen beiden Söhnen immer Märchen vorgelesen.
Aktuell sieht man Sie in einer Verfilmung von Rapunzel. Die Handlung ist aber etwas anders als im Original. Sie stecken als Zauberin mit Rapunzel unter einer Decke …
Andrea Sawatzki: Ich bin in der Rolle gar nicht so böse. Die Königin ist in der Verfilmung unsere Gegenspielerin. Allerdings nicht ganz ohne Grund. Ich habe den König aus Versehen mit meinem Zauberstab erstochen. Später komme ich gemeinsam mit Rapunzel in den Kerker. Aber wie der Film ausgeht, möchte ich noch nicht verraten.
Es gibt immer wieder neue Märchenverfilmungen wie "Rapunzel". Ist das Genre noch zeitgemäß?
Andrea Sawatzki: Ich freue mich, dass das ZDF die Tradition beibehält, an Heiligabend ein Märchen zu zeigen. Gerade für Kinder ist Weihnachten eine Herausforderung. Sie werden ja immer ein wenig kribbelig, wenn sie auf das Christkind warten. Mit einem Märchen wird die Wartezeit schön und kurzweilig verbracht, bis dann endlich die Kerzen am Weihnachtsbaum angezündet werden.
Sie sind auch eine erfolgreiche Autorin. In Ihrem Buch "Brunnenstraße" schreiben Sie über die Demenz-Erkrankung Ihres Vaters. Wie haben Sie gemerkt, dass mit Ihrem Vater etwas nicht stimmt?
Andrea Sawatzki: Eine Demenz-Erkrankung kommt nicht von heute auf morgen, sie verläuft schleichend. In den ersten Jahren bemerkt man sie meistens gar nicht. Oft werden die Betroffenen wie mein Vater unruhig, sie leiden unter Gefühlsschwankungen, mit denen die Angehörigen oft nicht umzugehen wissen.
Die als so typisch geltende Vergesslichkeit kommt in der Regel erst später dazu?
Andrea Sawatzki: Das große Vergessen kommt mit der Zeit. Das beschreibe ich auch in meinem Roman "Brunnenstraße". Erst einige Jahre nach Ausbruch seiner Erkrankung findet mein Vater nicht mehr aus den Umkleideräumen im Schwimmbad und auf der Rückfahrt mit dem Auto nimmt er die falsche Ausfahrt.
Inzwischen sind Sie Schirmherrin der Deutschen Alzheimer Gesellschaft.
Andrea Sawatzki: Was mich irritiert und wirklich traurig macht, ist die Tatsache, dass es noch sehr vielen Kindern heute so geht wie mir damals. Sie müssen, genau wie ich in den 1980er-Jahren, auf ein erkranktes Elternteil aufpassen. Es gibt nach wie vor viel zu wenig Unterstützung für die betroffenen Familien. Das ist schockierend.
Eigentlich müsste sich die Lage doch geändert haben? Es gibt doch im Internet, etwa von der Alzheimer Gesellschaft, heute viel mehr Informationen als damals.
Andrea Sawatzki: Prinzipiell ja, aber wenn der gesunde Elternteil noch arbeiten und das Geld verdienen muss, fehlt oft die Zeit und die Kraft, sich Hilfe zu holen. Deshalb gibt es unter der Nummer 030/259 37 95 14 das Sorgentelefon der Alzheimer Gesellschaft, wo sich Familien unkompliziert beraten lassen können.
Vielen Dank für das Gespräch!
Die Fragen stellte Peter Erik Felzer.
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