Zur Vorbeugung von Migräne-Attacken gibt es mehrere Möglichkeiten, unter anderem Medikamente. Welche weiteren Dinge empfehlen Sie Ihren Patienten?
Prof. Dr. Dagny Holle-Lee: "Grundsätzlich müssen Betroffene zu Expert:innen ihrer eigenen Erkrankung werden. Dafür ist es wichtig, die zur Verfügung stehenden medikamentösen und nicht-medikamentösen Therapieoptionen zu kennen, um für sich selbst den besten Weg zu finden. Es gibt keine „One fits all“-Therapie, die allen gleichermaßen hilft. Generell sinnvoll sind aber Ausdauersport, Entspannungsverfahren und ein regelmäßiger Tages- sowie Schlafrhythmus, um Attacken vorzubeugen. Wichtig ist vor allen Dingen auch, dass Betroffene verstehen, dass sie in ihrer bisherigen Lebensweise nichts „falsch“ gemacht haben – auch wenn trotz aller Mühen weiter Migräneattacken auftreten."
Seit kurzem gibt es auch eine DiGA zur Migräne-Prophylaxe. Wie kann eine sol-che App helfen?
Holle-Lee: "SinCephalea ist die aktuell einzige zugelassene Digitale Gesundheitsanwendung (DiGA) zur Migräne-Prophylaxe. Hier wird geprüft, ob der Blutzuckerspiegel einen Einfluss auf das Auftreten der Migräne haben könnte. Dafür messen Patient:innen mit einem Sensor im Arm kontinuierlich über zwei Wochen ihren Blutzuckerspiegel und protokollieren, was sie gegessen haben. Zukünftig werden sicherlich noch weitere DiGAs zur Verfügung stehen, die dann eine digitale multimodale Schmerztherapie ermöglichen werden. Der Vorteil der digitalen Behandlungsansätze ist, dass Betroffene selbst einen wesentlichen Anteil an der Therapie haben können."
Ein Bestandteil der App ist eine personalisierte Ernährung, um Migräne-Attacken vorzubeugen. Welche Lebensmittel können bei der Krankheit problematisch sein?
Holle-Lee: "Die Rolle einzelner Lebensmittel wird überschätzt. Früher ging man davon aus, dass zum Beispiel Süßigkeiten wie Schokolade Migräne auslösen können. Heute weiß man, dass in der Vorläuferphase der Migräne, also in den Stunden und Tagen vor dem eigentlichen Kopfschmerz, eine Aktivierung des Hypothalamus auftritt, die dann zu Heißhungerattacken unter anderem auf Süßes führen kann. Generationen von Migränebetroffenen haben auf Schokolade verzichtet, dabei ist die Migräne zum Zeitpunkt des Heißhungers eigentlich schon ausgebrochen – unabhängig davon, was die Betroffenen gegessen haben. Dennoch kann es in Einzelfällen hilfreich sein, genauer auf die Ernährung zu schauen und zu prüfen, ob eine gewisse Ernährungsweise in Zusammenhang mit den Migräneattacken stehen kann.
4. Wie erhalten Betroffene Zugang zu digitalen Gesundheitsanwendungen?
Holle-Lee: "Die digitalen Gesundheitsanwendungen können einfach vom Arzt verschrieben werden. Die Kostenübernahme erfolgt durch die zuständige Krankenkasse."