13.09.2017
„Es ist mir völlig unverständlich, dass so Wenige die volle Tragweite dieses Urteils erfasst haben“, sagte Becker. Laut dem Urteil dürfen ausländische Versandapotheken ihren Kunden Rabatte auf Rezeptgebühren gewähren, die deutschen Vor-Ort- und Versand-Apotheken gesetzlich untersagt sind. Dieses Urteil lasse, Becker zufolge, „Wettbewerb um jeden Preis“ zu und gefährde das Solidarsystem der gesetzlichen Krankenversicherung. „Die Konsequenzen dieses Urteils werden wir nicht akzeptieren!“, kündigte der DAV-Vorsitzende an. Ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Medikamenten hält er für den einzigen Weg, die flächendeckende Versorgung mit Arzneimitteln dauerhaft aufrecht zu erhalten.
Patienten an der Seite von Apothekern
Becker bedankte sich ausdrücklich, dass die Apothekerschaft bei diesem Thema vielfache Unterstützung erfahren hat. Dabei nannte er exemplarisch Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe und die vielen Patientinnen und Patienten, die sich im Frühjahr 2017 mit ihrer Unterschrift dafür eingesetzt haben, die flächendeckende Versorgung durch Apotheken vor Ort zu erhalten. Er begrüßte die klare Haltung von CDU und CSU in dieser Frage, die die Versorgung durch ortsnahe Apotheken in ihren Wahlprogrammen aufgreifen.
Bei allem Ärger über das Urteil wies Becker jedoch auch auf für Patienten und Apotheken positive Entwicklungen im laufenden Jahr hin: So seien die Exklusivverträge bei den Impfstoffen abgeschafft worden. Impfstoffe unterliegen nun nicht mehr den Regelungen der Rabattverträge. Dadurch sollen Lieferengpässe vermieden werden und sich die Durchimpfungsrate verbessern. Auch im Bereich der Krebsmedikamente, sogenannten Zytostatika, gehören solche Exklusivverträge mittlerweile der Vergangenheit an. Das trage laut Becker dazu bei, die Versorgung mit individuellen Zytostatika-Rezepturen auch in den dünner besiedelten Gebieten Deutschlands sicherzustellen. Der DAV-Vorsitzende äußerte jedoch deutliches Unverständnis für Krankenkassen, die in einer Übergangszeit nach Aufheben der Verträge eine Fehlinterpretation des Gesetzestextes durchgesetzt hatten. In dieser Zeit riskierten Apotheken, die außerhalb der aufgehobenen Exklusivverträge die Patienten mit Zytostatika versorgt hatten, dafür kein Geld von den Kassen zu erhalten.
Zunehmend Lieferengpässe
Handlungsbedarf sieht Becker beim Thema Lieferengpässe von Arzneimitteln. Das betreffe zum Teil unverzichtbare Medikamente wie Impfstoffe, Antibiotika oder Krebsmittel, die manchmal über Monate hinweg nicht mehr verlässlich zu beziehen seien. „Die Fälle häufen sich, in denen wir nicht mehr optimal versorgen und unseren Patienten nur noch zweitbeste Alternativen anbieten können.“ DAV, Großhändler und Industrieverbände seien hier in permanentem Kontakt mit Politik und Kassen, um die Situation zu verbessern.
Becker warb für eine Stärkung der heilberuflichen Leistung. Es gebe allgemein einen erhöhten Bedarf an Angeboten der Gesundheitsvorsorge, aber auch der Therapiebegleitung. Apotheker seien prädestiniert, auch heilberufliche Leistungen zu erbringen, die über die Beratung zu Arzneimitteln hinausgingen, weil ihr Service niederschwellig und im ganzen Land verfügbar sei. „Das nützt nicht nur der Gesundheit der Patienten, sondern trägt auch zur Entlastung der Sozialsysteme bei“, so Becker. Einige Krankenkassen hätten das bereits erkannt und Interesse an erweiterten pharmazeutischen Dienstleistungen für ihre Versicherten bekundet. „Was fehlt, ist eine gesetzliche Klarstellung.“ Ein entsprechender Antrag in der Hauptversammlung des Apothekertags soll diesen Prozess unterstützen.
RF