17.06.2013
Nicht nur in der Medizin haben Heilpflanzen ihren festen Platz – auch in der Kunst sind sie seit jeher etabliert. Dann allerdings steht oft nicht die Heilkraft der Pflanzen im Vordergrund, sondern ihre berauschende bis tödliche Wirkung, wie Hans H. Maurer, Toxikologie-Professor an der Universität des Saarlandes berichtet.
Ob Homer, Goethe oder Wagner: Sie alle ließen Liebestränke, Flugsalben oder Giftgemische in ihren Werken wirken. So sehen sich die Gefährten von Odysseus als Schweine, Mephisto und Faust fliegen nach einem Trunk zum Blocksberg und in Wagners Götterdämmerung schwankt Siegfrieds Liebe zwischen Brünnhilde und Gutrune mit dem entsprechenden Liebeselixier beziehungsweise Gegengift. In Richard Wagners "Tristan und Isolde" enthält die Reiseapotheke, von Brangäne, Isoldes Dienerin, gleich eine ganze Reihe von Tränken - für "Weh und Wunden", ein "böse Gifte Gegengift", einen Todestrank sowie den Liebestrank, durch den sich Tristan und Isolde unsterblich ineinander verlieben.
Alles nur eine Schöpfung der Phantasie? Wohl kaum. Maurer geht davon aus, dass viele der dargestellten Tränke, Elixiere oder Gebräue auf reale Pflanzenstoffe zurückgehen. Zum Beispiel auf Scopolamin und Hyoscyamin, auch als Atropin bekannt, die Hauptwirkstoffe vieler Nachtschattengewächse wie Tollkirsche, Engelstrompete, Stechapfel, Bilsenkraut oder Alraune. Scopolamin etwa kann je nach Dosierung ganz unterschiedlich wirken: So kann der Wirkstoff Halluzinationen hervorrufen, zum Beispiel die Vorstellung zu fliegen, zu sexuellen Erlebnissen oder der Verwandlung in ein Tier. In zu großer Menge ist es tödlich, in sehr geringer Dosierung wird es heutzutage in Pflastern gegen die Reiseübelkeit eingesetzt. Atropin, das von Frauen des Mittelalters als Schönheitsmittel zur Pupillenvergrößerung eingesetzt wurde, dient Augenärzten heute noch zur Weitung der Pupillen bei der Untersuchung des Augenhintergrunds. Auch dieser Wirkstoff kann in zu großen Mengen tödlich sein.
HH