Psyche

Michael Patrick Kelly: Dankbarkeit macht mich glücklicher

aponet.de  |  01.07.2022

Emotionen gehören zum Handwerk von Michael Patrick Kelly. Seine Songs sollen Mut machen. Nach vielen Jahren im Kloster weiß er, wie sehr Dankbarkeit dem Menschen guttut.

Michael Patrick Kelly.
Sechs Jahre lang lebte der Sänger Michael Patrick Kelly als Mönch in einem katholischen Kloster in Frankreich.
© Sony Music

Sie waren bereits als Kind sehr erfolgreich. Tat Ihnen das gut?

Kelly: Die alternative Lebensart meiner Eltern mit einem Leben im Doppeldeckerbus oder Hausboot war etwas ganz Besonderes. Ich ging zwar in keine feste Schule oder hatte langfristige Freunde, aber ich bin sehr dankbar, dass ich Musik quasi mit der Muttermilch aufsaugen konnte. Die Bühne war als Kind mein Spielplatz wie für andere der Sandkasten. Später in den 1990er-Jahren nahm das dann unglaubliche Dimensionen an mit Tausenden kreischender Kids vor der Bühne. Das hatte schon etwas von Phänomenen wie The Beatles und Boybands, und diese Massenhysterie konnte auch beängstigend sein.

Was hat Ihnen damals Halt gegeben?

Kelly: Es hat sicher positiv gewirkt, dass ich von vielen Geschwistern umgeben war. Der Familienverbund hat mich etwas geschützt. Trotzdem kam ich wie viele junge Menschen mit Anfang 20 in eine Art Lebenskrise, in der ich auch Suizid-Gedanken hatte. Ich habe mich damals entschlossen, eine Psychotherapie zu machen. Der Therapeut stellte keine eindeutige Depression oder ernstere mentale Krankheit fest. Aber ich war ausgebrannt und hatte mich selbst irgendwo in dem Hype verloren. Die Therapie hat mir geholfen, meine Gefühle und Gedanken zu ordnen, damit ich mich selbst besser verstehe. Der Tod meiner Mutter, als ich fünf Jahre alt war, hat mich sicher auch geprägt. Es war gut, das alles mal aufzuarbeiten. Den wahrscheinlich stärksten Halt bekam ich aber durch den Glauben, den ich in dieser Zeit gefunden habe. Es klingt zwar nicht sehr trendy in Zeiten, in denen Yoga und Zen-Meditation angesagt sind, aber die Bibel beantwortete viele der existenziellen Fragen, die mich beschäftigten: Wer bin ich? Wo gehe ich hin? Was ist der Sinn von all dem? Das hat einen Prozess gestartet, der mich dann später bis ins Kloster führte.

Wie kamen Sie dazu, als Mönch zu leben?

Kelly: Das fing an mit mehreren Kloster-Aufenthalten von einigen Tagen bis zu mehreren Wochen. Ich war auf der Suche nach der Wahrheit meines Lebens und habe gemerkt: An diesen Orten gibt es etwas, das man nicht im Internet bestellen oder im Supermarkt kaufen konnte. Ich sage "Gott" dazu. Es war eine Quelle von echtem Frieden und tiefer Erfüllung. Das wirkte wie ein Magnet auf mich. Ich bin dann 2004 ins Kloster eingetreten.

Wie groß war der Kulturschock am Anfang?

Kelly: Der war radikal, weil ich mich dort einer völlig neuen Lebensordnung unterwerfen musste. Haare ab, Kutte an, keine Frauen, kein Geld, kaum Musik. Aber manchmal muss man sich von allem lösen, an dem man festhält, um zum Kern der ganzen Sache vorzudringen. Am Anfang waren die Stille und das Gebet der absolute Horror, weil ich als Musiker permanent von Song-Inspirationen abgelenkt war. Aber nach einer Weile habe ich entdeckt, dass das Freiwerden von allem Materiellen und weltlichem Krach Gold wert war.

Was haben Sie für sich aus der Klosterzeit mitgebracht?

Kelly: Ich bin im Kloster kein komplett anderer Mensch geworden, aber ein geordneterer, geerdeter und glücklicherer Mensch. Auch widerstandsfähiger. Wenn man einmal den Schritt gegangen ist, alle Ansprüche für sich selbst aufzugeben, dann haut einen so schnell nichts mehr um. Das Gebet ist immer noch Teil meines Alltags, und das Bewusstmachen von Dankbarkeit habe ich aus dieser Zeit mitgenommen. Wer ein dankbarer Mensch ist, ist glücklicher. Wenn man immer wieder für die guten Dinge dankt, die passieren, dann relativieren sich Probleme. Der Fokus bleibt auf dem Positiven, man ist handlungsfähiger. Im Kloster habe ich auch Achtsamkeitsübungen gelernt, die ich morgens gerne mache. Das hilft mir, einen klaren Kopf in diesen verrückten Zeiten zu behalten.

Die Songs Ihres neuen Albums basieren auf wahren Geschichten. Ihre Reaktion auf die aktuell schwierigen Zeiten?

Kelly: Die Songs können auf jeden Fall ein Gegengewicht zu den schlechten Nachrichten sein, mit denen wir jeden Tag bombardiert werden. Es gibt da draußen ja auch sehr viele gute Nachrichten, die für mein Empfinden zu wenig zur Geltung kommen. Deswegen wollte ich ein Album mit echten Geschichten herausbringen, die positiv ausgehen. Der Albumtitel B•O•A•T•S steht für Based On A True Story. Es geht um wahre, schöne Geschichten, die mich als Songschreiber inspiriert haben und die den Menschen Mut machen und – hoff entlich – Hoffnung geben können.

Wie sehr freuen Sie sich auf Ihre Tour im September?

Kelly: Ich fühle mich wie ein Rennpferd, das in seiner Startbox zappelt (lacht). Ich kann’s nicht abwarten, bis es endlich losgeht. In der Pandemie haben wir gemerkt, wie sehr uns das Feiern fehlt. Wenn wir nicht singen, tanzen, feiern und auch mal berührt weinen können, dann brechen wir ein. Ich verstehe es als Aufgabe eines Künstlers, Menschen dieses Ventil für Emotionen zu schenken. Apotheker und Ärzte sorgen für unsere Gesundheit, Polizei und Feuerwehr für unsere Sicherheit. Wir Musiker sind für Gefühle zuständig. Darum freue ich mich auf die Konzerte und werde alles geben, damit die Leute Freude, Trost, Hoffnung und eine Menge Spaß haben.

Vielen Dank für das Gespräch!

Die Fragen stellte Rüdiger Freund.

Warum Michael Patrick Kelly einen Espresso und einen Kräuterschnaps braucht, lesen Sie hier.

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