06.09.2018
Es gibt Studien, die belegen, dass Menschen unter Zeitdruck selbstsüchtiger werden. In anderen wurden sie dagegen prosozialer. Dass dies kein Widerspruch sein muss, deckten Forscher aus den USA und China nun auf. Sie konnten zeigen, dass Menschen unter Zeitdruck offenbar eher ihrer Grundeinstellung folgen.
Wenn sie schnell reagieren müssen, verhalten sich egoistische Menschen eigennütziger und prosoziale Menschen sozialer. Dies ging aus Experimenten mit 102 Studenten aus den USA und Deutschland hervor, die 200 Runden eines Spiels spielten, das häufig für psychologische und ökonomische Experimente verwendet wird. Dabei müssen die Teilnehmer jedes Mal entscheiden, ob sie einem Spielpartner einen bestimmten Betrag von ihrem Geld abgeben oder nicht. Manchmal entspricht ein Dollar einem Dollar, manchmal reicht zum Beispiel schon ein Dollar, damit der Partner zehn bekommt, umkehrt kann es sein, dass ein Teilnehmer zehn Dollar abgeben müsste, damit der andere drei erhält. Die Zeit, die Teilnehmer für die Entscheidung hatten, variierte zwischen zwei und zehn Sekunden, berichten die Forscher in der Fachzeitschrift Nature Communications.
„Wir haben herausgefunden, dass Zeitdruck offenbar die Prädisposition von Menschen verstärkt, sei es egoistisch zu sein oder prosozial“, sagt Ian Krajbich von der Ohio State University. Werden Menschen gedrängt, greifen sie offenbar darauf zurück, was sie in ähnlichen Situationen getan haben und tendieren dazu, ihrer vorgefassten Einstellung zu folgen. Mit genügend Zeit wird es dagegen eher wahrscheinlich, dass sich Menschen gegen ihre vorgefasste Meinung entscheiden, weil sie die möglichen Optionen gegeneinander abwägen können. Wenn jemand zum Beispiel dazu neige, eigennütziger zu sein, aber erkenne, dass er nur einen Dollar abgeben müsse, damit sein Partner 20 bekomme, könne das dazu führen, dass er sich prosozialer verhalte, so Krajbich. Ihre Ergebnisse könnten erklären, warum frühere Studien zur Wirkung von Zeitdruck zu so unterschiedlichen Ergebnissen gekommen seien.
HH