"Zuerst dachte ich, ich hätte aus Versehen in die Sonne geschaut oder in etwas anderes, das mich geblendet hat", beschreibt die 43-jährige Eva Sonntag den Beginn ihrer Augenmigräne. "Mitten im Blickfeld war ein hell flirrender Punkt."
Das sei typisch, sagt Professor Dr. Gereon Nelles, Vorstand des Berufsverbands Deutscher Nervenärzte (BVDN). Eine Augenmigräne starte meist mit einer kreisrunden, blitzartigen oder wie kleine Feuerblitze anmutenden Sehstörung. Fachleute sprechen auch von einem Flimmerskotom, einer Art blindem Fleck, in dessen Bereich man nichts sieht. Im weiteren Verlauf kann sich dieser Bereich ausweiten und zum Beispiel als gezackter Halbkreis zur Seite wandern.
Zwischen 10 und 30 Minuten
Verursacht werden die Sehstörungen, die oft auf beiden Augen auftreten, durch eine Änderung der Hirnaktivität in einem Bereich der Großhirnrinde, der Seheindrücke verarbeitet. Verschiedene Augen-Symptome bei Augenmigräne stehen für unterschiedliche Funktionsveränderungen im Gehirn. Der ganze Spuk dauert laut Nelles häufig nicht länger als zehn Minuten. Aber auch längere Episoden kommen vor. "Ich habe es jetzt schon häufiger erlebt und bin immer etwa 20 bis 30 Minuten außer Gefecht gesetzt", so die Erfahrung von Eva Sonntag. Am Bildschirm arbeiten, Auto fahren oder lesen geht in dieser Zeit überhaupt nicht.
Obwohl die Augenmigräne keinen Warnhinweis auf etwas Ernsthafteres darstellt, rät Nelles Betroffenen, beim ersten Mal einen Neurologen aufzusuchen, eventuell außerdem einen Augenarzt. Denn auch wenn sich die Symptome anderer Krankheiten, wie etwa einer Durchblutungsstörung oder Netzhautablösung, von denen einer Augenmigräne deutlich abheben, fällt Laien die Unterscheidung nicht immer leicht. "Einmal gründlich abklären lassen", rät der Nervenarzt. Wenn sich an dem Muster dann nichts verändere, könne man relativ beruhigt sein. Eva Sonntag: "Ich kenne die Anzeichen mittlerweile gut und lege, wenn das Flimmern beginnt, einfach eine Pause ein."
Bei Augenmigräne keine Triptane
Migränemittel, die sogenannten Triptane, verwendet man bei Augenmigräne besser nicht. Das hat folgenden Grund: "Erstens dauert die Augenmigräne oft kürzer als die Zeit, in der eine medikamentöse Wirkung eintritt. Zweitens weiß man nie, ob es sich bei den Sehsymptomen um eine reine Augenmigräne handelt oder um eine echte Aura, die einer Migräneattacke vorausgeht", so der Neurologe.
Eine echte Aura ist mit einer Engstellung der Blutgefäße verbunden, die Triptane womöglich noch verstärken. Betroffene können ein Triptan dann aber gegen die Migräneattacke einsetzen, sobald die Aura abgeklungen ist – keinesfalls aber während der Aura. Man sollte nicht wegen einer vorhergehenden Aura auf das Triptan verzichten.
Möglichkeiten zur Vorsorge
Treten die Sehsymptome so häufig auf, dass sie das tägliche Leben sehr stören, kann man versuchen, die Augenmigräne mit Medikamenten vorbeugend zu behandeln. Dies kann zum Beispiel für Menschen sinnvoll sein, die als Fahrlehrer arbeiten, häufig Vorträge halten oder Mikroskope nutzen. Ähnlich wie bei einer richtigen Migräne könnten hier zum Beispiel Betablocker zum Einsatz kommen, so Nelles. "Die Augenmigräne ist aber selten so aktiv."
Im Hinblick auf die Auslöser ähnelt die Augenmigräne der Kopfschmerz-Migräne: Stress, bestimmte Nährstoffe oder Alkohol können die Attacken auslösen. Manche Menschen reagieren empfindlich auf Käse, Schokolade oder Wetterwechsel. Eva Sonntag hat herausgefunden, dass bei ihr offenbar der Blick in etwas extrem Helles oft eine Rolle spielt. Und so hat sie für sich einen guten Ansatzpunkt, um Augenmigräne zu verhindern.
Hanke Huber