Herr Dr. Leiber, muss man es als normal ansehen, dass die Potenz mit dem Alter abnimmt?
Leiber: Es kommt darauf an, wie man Normalität definiert. Sicher nehmen Erektionsstörungen mit dem Alter eindeutig zu, aber es kann trotzdem kein Normalzustand sein, mit dem man sich einfach abfinden muss. Wünschenswert ist, auch im Alter sexuell aktiv sein zu können – selbst wenn man nicht mehr die gleiche Erektionsqualität wie ein 20-Jähriger hat. Erektionsstörungen sehe ich als eine Erkrankung an, an der viele Männer leiden und die man behandeln muss, wenn die Betroffenen es wünschen.
Welche körperlichen Auslöser führen zu Erektionsstörungen?
Leiber: Klassische Risikofaktoren sind Diabetes, Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen und besonders das Rauchen. All dies schadet den Blutgefäßen. Gerade die Penisarterien sind vergleichsweise klein, so dass hier Probleme früher auftreten als an anderen, größeren Arterien. Erektionsstörungen gelten daher geradezu als Frühwarnsystem für Schädigungen
des männlichen Herz-Kreislauf-Systems. Leitlinien empfehlen daher, Männer mit Erektionsproblemen gezielt auf diese Risikofaktoren zu untersuchen und sie zu behandeln.
Welche Rolle spielen seelische Einflüsse?
Leiber: Stress, etwa durch eine hohe Erwartungshaltung, wirkt sich sehr negativ aus. Erlebt ein Mann dadurch zwei- oder dreimal, dass es im richtigen Moment nicht funktioniert, hemmt ihn das beim nächsten Mal umso mehr, denn er kann nicht mehr entspannen. Und für eine gute Erektion ist nun einmal der entspannende Teil des Nervensystems wichtig. Unter Stress dagegen sorgt das Stresshormon Adrenalin dafür, dass sich Blutgefäße zusammenziehen, auch Penisarterien, und keine Erektion zustande kommt. Das kann sich im Gedächtnis so einfräsen, dass es zu Versagensängsten und Blockaden kommt. Betroffene zeigen in der Folge Vermeidungsverhalten, und die Hürde für sexuelle Aktivität wird immer höher.
Können Medikamente gegen andere Leiden Erektionsstörungen verursachen?
Leiber: Das trifft für einige Wirkstoffgruppen zu, zum Beispiel für Betablocker oder Psychopharmaka. Wichtig ist der zeitliche Zusammenhang: Nimmt man ein Medikament schon über Jahre ein, stellt es wahrscheinlich nicht die Ursache für eine vor drei Monaten erst eingetretene Erektionsstörung dar. Anders verhält es sich, wenn der Hausarzt beispielsweise Blutdruckmedikamente umstellt und bald darauf Probleme mit der Erektion auftreten. Hier sollten Betroffene mit dem Arzt klären, ob sich die Mittel austauschen lassen.
An wen können sich Männer mit Erektionsproblemen zur Therapie wenden?
Leiber: Es gibt ausgebildete Sexualmediziner und Sexualtherapeuten. Außerdem können Urologen mit der Zusatzqualifikation Andrologie Betroffene beraten und behandeln. Üblich ist eine kombinierte Therapie mit passenden Medikamenten und parallel einer Paartherapie oder Psychotherapie, je nachdem welche Probleme im Vordergrund stehen. Bei Erektionsstörungen sucht übrigens oft die Partnerin die Schuld in der eigenen Person, dabei liegen die Ursachen beim Mann. Im Fall des vorzeitigen Samenergusses verhält es sich oft umgekehrt, hier machen Frauen eher den Partner verantwortlich, obwohl er das Geschehen nicht nach Belieben willkürlich steuern kann.
Hilft ein gesünderer Lebensstil gegen bereits bestehende Erektionsprobleme?
Leiber: Belastet man lange Zeit seine Gesundheit stark, hilft es irgendwann nicht mehr so viel, auf den Pfad der Tugend zurückzukehren. In der Regel aber lohnt es bei Erektionsstörungen, wenn der Arzt Lebensstiländerungen anspricht, indem er Patienten beispielsweise vor die Wahl stellt, entweder weiter zu rauchen oder durch einen Rauchstopp die Chancen für bessere Erektionen zu erhöhen. Unsportliche, übergewichtige Männer, besonders
auch Diabetiker, sollten abnehmen. Viele Männer motiviert es, dass dies möglicherweise wieder bessere Erektionen ermöglicht, neben anderen positiven Effekten.
Welche Arzneimittel gibt es gegen Erektionsprobleme?
Leiber: Vielen pflanzlichen und naturheilkundlichen Präparaten schreibt man vermeintlich erektionsfördernde Wirkungen zu. Aus wissenschaftlicher Sicht muss man das kritisch beurteilen. Allerdings darf natürlich der Placebo-Effekt nicht vergessen werden. Männer mit leichten Erektionsstörungen glauben an eine Pille, und etwa ein Drittel sieht den Erfolg.
Gut wirksame, in Tablettenform einnehmbare Arzneistoffe gegen Erektionsstörungen sind PDE-5-Hemmer. Sie blockieren das Enzym Phosphodiesterase 5, was dann den Bluteinstrom in die Schwellkörper verlängert.
Die Mittel lösen aber nicht von allein Erektionen aus, sondern verbessern die durch sexuelle Stimulation eingeleitete Gliedversteifung. In Deutschland erhält
man derzeit vier PDE-5-Hemmer. Alle vier wirken gut, sind verschreibungspflichtig und weisen ein ähnliches Nebenwirkungsprofil auf. Krankenkassen erstatten sie nicht, man muss sie selbst bezahlen. Vor der Verschreibung klärt der Arzt, ob der Patient die Mittel anwenden darf. Nutzt er
etwa nitrathaltige Herzmedikamente wie ein Nitro-Spray, würde das zusammen mit PDE-5-Hemmern gefährliche Blutdruckabfälle auslösen. Und nicht immer wirken PDE-5-Hemmer.
Dann bietet sich als Alternative eine lokale Therapie an, bei der man gefäßerweiternde Substanzen auf den Penis aufträgt. Oder man spritzt solche Mittel mit sehr dünnen Nadeln in die Schwellkörper oder gibt sie in die Harnröhre.
Was bietet Schutz vor gefälschten Potenzmitteln?
Leiber: Lassen sich verschreibungspflichtige Medikamente rezeptfrei im Internet bestellen, ist höchste Vorsicht geboten. Das ist illegal, und man muss mit hoher Wahrscheinlichkeit damit rechnen, Fälschungen zu kaufen. Bekommt man die Mittel in der Apotheke in Deutschland, besteht diese Gefahr praktisch nicht. Fälschungen sind nicht unbedingt harmlos. Nehmen Fälscher etwa den originalen Wirkstoff, portionieren ihn aber nicht richtig, kann das Anwender in Lebensgefahr bringen.
Was kann helfen, wenn Medikamente nicht mehr wirken?
Leiber: Es gibt Hilfsmittel wie etwa ein Vakuum-Pumpen-System. Damit kann man den Blutstrom in den Schwellkörper fördern. Es gibt keine Nebenwirkungen, und man kann das System daher in Betracht ziehen. Für bestimmte Patienten mit schwerer Erektionsstörung, die nicht auf Medikamente ansprechen, kommt auch ein Penis-Implantat infrage. Es wird operativ in den Penis eingepflanzt, und es lässt sich über eine kleine Pumpe im Hodensack steuern. Solche Implantate gibt es in Deutschland seit mehr als 40 Jahren, und Krankenkassen bezahlen sie auch.
Vielen Dank für das Gespräch.
Die Fragen stellte Dr. Frank Schäfer