Natascha Koch
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01.05.2023
Mit Vitaminen und Mineralstoffen wollen viele Jugendliche ihrem Körper etwas Gutes tun. Gerade beim Thema Sport und Muskelaufbau kommt man in der Werbung an Nahrungsergänzungsmitteln kaum vorbei: Pillen und Pulver versprechen unter anderem eine bessere Leistung beim Training, eine schnellere Erholung oder einen effektiveren Muskelaufbau, zum Beispiel durch Proteinpulver oder Kreatin. Notwendig ist das aber nicht – und in manchen Fällen sogar riskant, erklärt Professorin Dr. Silvia Rudloff vom Institut für Ernährungswissenschaft der Justus-Liebig-Universität Gießen. "Jugendliche Sportler nehmen, wenn sie sich ausgewogen ernähren, ausreichend Eiweiß auf. Zusätzliches Protein, zum Beispiel durch Shakes oder Riegel, wird vom Körper dann hauptsächlich zur Energiegewinnung genutzt – und nicht für den Muskelaufbau", erklärt die Expertin, die auch Mitglied der Ernährungskommission der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e. V. ist.
Ein weiteres Problem: Diese Produkte enthalten oft nicht nur Eiweiß, sondern häufig auch viel Zucker. Dieser führe zusammen mit dem hohen Proteingehalt eher zu einer Gewichtszunahme, nicht jedoch zur gewünschten Steigerung der Muskelmasse. "Man könnte den gleichen Effekt erreichen, wenn man nach dem Training zum Beispiel ein Müsli isst. Im Hinblick auf die Aufnahme an Nährstoffen wäre das sogar günstiger", so Rudloff.
Eher kein Kreatin für Jugendliche
Abgesehen davon, dass der Körper überschüssiges Protein letztlich als Fett speichert, bergen Eiweiß-Präparate für gesunde Jugendliche aber keine weiteren Risiken. Anders sieht es unter Umständen bei Produkten mit Kreatin aus: Dabei handelt es sich um eine Kohlenstoff-Stickstoff-Verbindung, die der Körper auch selbst bildet und die vor allem in Fleisch und Fisch steckt. Tatsächlich haben Studien mit erwachsenen Teilnehmern gezeigt, dass der Stoff einen positiven Einfluss auf die sportliche Leistung haben kann. "Kinder und Jugendliche sollten jedoch auf die Einnahme verzichten, da Auswirkungen auf den körpereigenen Hormonhaushalt nicht ausgeschlossen werden können", schreibt die Verbraucherzentrale (Bundesverband) auf ihrer Webseite. Ernährungswissenschaftlerin Rudloff warnt noch vor einer weiteren Gefahr: "Produkte, die man in unzähligen Shops auf der ganzen Welt beziehen kann, enthalten häufig Kontaminationen, unter anderem sogar mit Schwermetallen oder verbotenen Zusätzen wie Hormonen. Das ist gesundheitsschädlich – und das muss man für Jugendliche in der Entwicklungsphase noch kritischer betrachten."
Keine Zulassung wie für Arzneien
Was viele nicht wissen: Anbieter von Nahrungsergänzungsmitteln müssen deren Wirksamkeit und Sicherheit nicht mit Studien belegen. Rechtlich betrachtet gelten sie als Lebensmittel. Zudem benötigen Nahrungsergänzungsmittel, anders als Arzneimittel, auch keine Zulassung – allein der Hersteller ist für den Inhalt und die gesundheitliche Unbedenklichkeit verantwortlich. Wer Nahrungsergänzungsmittel verkaufen möchte, muss dies lediglich vorher beim Bundesamt für Lebensmittel und Verbraucherschutz anzeigen. Eine Prüfung erfolgt nicht. Zuständig für die Lebensmittelüberwachung sind die einzelnen Bundesländer. "Da der Markt enorm groß ist, kann auch an dieser Stelle nicht gewährleistet werden, dass sämtliche Produkte kontrolliert werden", erklärt Rudloff. Besonders schwierig sei das mit im Ausland produzierten und gekauften Produkten: "Zwar müssten sich Importeure an die gleichen Vorschriften halten wie inländische Hersteller, aber ebenfalls eigenverantwortlich", sagt Rudloff . Die Expertin empfiehlt generell, Nahrungsergänzungsmittel nur von vertrauenswürdigen Quellen zu beziehen. Dies kann beispielsweise die Apotheke vor Ort sein, die zudem die Möglichkeit einer entsprechenden Fachberatung bietet.
Gleichzeitig gibt es für Vitamine und Mineralstoffe in Nahrungsergänzungsmitteln keine gesetzlich festgelegten Höchstmengen. Zwar schlägt das Bundesinstitut für Risikobewertung auf nationaler Ebene Empfehlungen für viele Vitamin- und Mineralstof präparate sowie für angereicherte Lebensmittel vor, diese sind aber nicht rechtsverbindlich. "Viele Produkte übersteigen diese Richtwerte erheblich, und nicht immer ist absehbar, welche Folgen das für den Körper haben kann", so Rudloff. In vielen Fällen scheidet der Körper überschüssige Vitamine wieder aus, manchmal ist das jedoch nicht der Fall. Vitamin D speichert er beispielsweise im Fett- und Muskelgewebe. Wer es über einen längeren Zeitraum in einer sehr hohen Dosis einnimmt, riskiert einen erhöhten Calciumspiegel mit Übelkeit, Bauchkrämpfen, Erbrechen oder in schweren Fällen Nierenschädigungen, Herzrhythmusstörungen und Bewusstlosigkeit.
Arztgespräch schafft Klarheit
In den meisten Fällen sei es Rudloff zufolge ohnehin nicht nötig, Nahrungsergänzungsmittel einzunehmen – mit wenigen Ausnahmen: Ernähren sich Jugendliche zum Beispiel vegetarisch, empfiehlt sie, darauf zu achten, dass die Ernährung immer noch ausgewogen und abwechslungsreich ist. Wer vegan lebt und damit komplett auf tierische Lebensmittel wie Milch und Eier verzichtet, muss in jedem Fall Vitamin B12 einnehmen. "Das ist gerade bei Jugendlichen äußerst wichtig – auch, weil man die Auswirkungen eines sich entwickelnden Vitamin- B12-Mangels oft erst nach Jahren bemerkt",erklärt Rudloff . Lassen Jugendliche also bestimmte Lebensmittelgruppen weg, rät die Expertin, mit dem Kinder- oder Jugendarzt zu sprechen. Eine ärztliche Beratung sei auch sinnvoll, bevor man eigenverantwortlich zu Nahrungsergänzungsmitteln greift: Ärztinnen und Ärzte können beurteilen, ob die Einnahme nötig ist, welche Dosierung sich empfiehlt und ob die Nahrungsergänzungsmittel mit Medikamenten, die man eventuell regelmäßig einnimmt, Wechselwirkungen eingehen.