Wie der Name Spermidin schon andeutet, isolierten Forscher dieses unscheinbare chemische Molekül tatsächlich erstmals aus der männlichen Samenflüssigkeit. Damals kannte noch niemand die Bedeutung der Substanz. Mittlerweile weiß man, dass Spermidin im Pflanzen- und Tierreich weit verbreitet ist. Der menschliche Körper produziert Spermidin selbst, ein weiterer Teil gelangt über die Nahrung in den Stoffwechsel. Weizenkeime, Erbsen, Hartkäse und fermentierte Sojaprodukte scheinen besonders viel Spermidin zu enthalten.
Hungrige Zellen
Spermidin regt in den Zellen die Autophagie an, also sozusagen die körpereigene "Müllabfuhr". Das heißt, dass Zellen des Körpers funktionslos gewordene Bestandteile sowie schädliche Fremdstoffe abbauen. Die dabei entstehenden Grundbausteine verwenden sie oft wieder neu, praktisch als Recyclingprodukte. Diese Prozesse laufen auch beim Fasten ab, wenn der Körper eine Weile auf Nahrung verzichten muss. In Tierversuchen und bei Untersuchungen am Menschen stellte man positive Effekte auf den Alterungsprozess fest, nicht zuletzt auf die geistige Fitness. Der Wirkmechanismus ist noch nicht vollständig geklärt.
Aktuell gehen Forscher davon aus, dass Nervenzellen dabei besser regenerieren
können. Schädliche Eiweißablagerungen im Gehirn, wie sie bei Alzheimer
auftreten, werden vermehrt abgebaut. Allerdings darf man Fasten nicht so missverstehen, dass man bis zur Unternehrnährung hungern soll. Das schadet
dem ganzen Körper und letztlich auch dem Gehirn. Insgesamt, so zeigen auch Untersuchungen mit Mäusen am Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam-Rehbrücke (DIfE), wirkt sich kontrolliertes Fasten günstig auf den Stoffwechsel aus. Die Versuchstiere konnten viel besser wieder zwischen Zucker- und Fettstoffwechsel hin- und herschalten, der gesamte Fettstoffwechsel verbesserte sich. Zudem sammelten sich in der Leber weniger giftige Zwischenprodukte des Fettstoffwechsels an.
Im Alter nimmt der Spermidin-Spiegel im Blut für gewöhnlich ab. Bei gesunden
Hochbetagten fand man jedoch immer noch relativ hohe Spermidin-Konzentrationen. Ein weiterer Hinweis darauf, dass Spermidin sowie Autophagie innerhalb des komplexen Alterungsprozesses eine wichtige Rolle spielen.
Zukunft der Alzheimertherapie?
Mit Spermidin verbinden sich demnach Hoffnungen, was die Alzheimerbehandlung angeht. Neue Ansätze hierfür wären sehr wünschenswert, denn die aktuell zur Verfügung stehenden Medikamente heilen Demenz nicht. Wirkstoffe wie Rivastigmin, Galantamin, Donepezil und Memantin vermögen allenfalls das Fortschreiten der Erkrankung zu bremsen, wenn Betroffene sie rechtzeitig einnehmen. Die Ursache der Erkrankung gehen sie nicht an. Neue Wirkstoffe haben in Studien bisher nicht den erwünschten Erfolg gebracht.
Klinische Studien mit größeren Patientengruppen müssen nun zeigen, inwieweit
künftig einmal Spermidin enthaltende Präparate eine gute Möglichkeit zur Vorsorge und Therapie der Demenz bieten können. Übrigens: Spermidin schreibt man auch positive Effekte auf das Herz und den Blutdruck zu. Hierzu soll bald eine Studie in Österreich starten.
Pharmazeutin Bernadette Stange