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15.11.2022
Herr Maffay, beschäftigen Sie sich heute mehr mit Ihrer Gesundheit als früher?
Peter Maffay: Definitiv. Ich habe mir jahrzehntelang nicht allzu viele Gedanken über die Folgen meines Lebenswandels gemacht, weil ich von Krankheiten und ähnlichen Problemen verschont geblieben bin. Lange bildete ich mir ein, dass mich nicht wirklich etwas treffen kann, und habe ordentlich Gas gegeben. Das änderte sich vor etlichen Jahren. Ein befreundeter Arzt stellte bei mir einen möglichen Lungenkrebs fest. In den Stunden, die es dauerte, diese Diagnose zu bestätigen, wurde mir klar, dass sich in meinem Leben etwas ändern musste. Der Arzt hatte sich zum Glück geirrt, aber mir wurde vor Augen geführt, dass ich nicht unverletzlich bin.
Was haben Sie genau verändert?
Maffay: Ich hatte bis dahin wahnsinnig viel geraucht und relativ viel Alkohol getrunken. Das hatte sich im Laufe der Jahre immer weiter gesteigert. Auf beides verzichtete ich von heute auf morgen. Zu meinem Erstaunen völlig ohne Entzugserscheinungen. Zusätzlich fing ich an, Sport zu treiben und habe meine Ernährung umgestellt – auch um mein Gewicht zu halten. Im Laufe von wenigen Monaten habe ich gemerkt, wie gut mir das bekommt und dass das genau der richtige Weg für mich ist.
Hat Ihre Stimme damals nicht unter Zigaretten und Alkohol gelitten?
Maffay: Doch, aber dieser Lebenswandel gehörte einfach dazu. Einen braungebrannten, muskelbepackten Rocker konnte sich niemand vorstellen. Man musste fertig und irgendwie gebrochen aussehen. Wir waren der Ansicht, dass wir nur so das Beste aus uns herausholen konnten. Das war damals reizvoll, aber rückblickend betrachtet einfach nur blödsinnig. An diesem Lernprozess sind viele meiner Kollegen zerbrochen. Ich hatte Glück, dass diese Umkehr für mich zu einem Zeitpunkt stattfand, als sie noch machbar war. Seitdem rauche ich nicht mehr und trinke nur noch gelegentlich ein Glas Wein oder Bier. Ich vermisse das nicht. Ich würde es viel mehr vermissen, keinen Sport machen zu können.
Und welchen Sport bevorzugen Sie?
Maffay: Wenn ich zu Hause bin, fahre ich regelmäßig Mountainbike. Dafür habe ich meine zwei bis drei Hausstrecken, zwischen 10 und 15 Kilometer lang, und die werden morgens abgefahren. Zusätzlich gibt es bei uns im Tonstudio eine kleine Mucki-Bude. Darin stehen einige Foltergeräte und ein Laufband, um sich mal auszutoben und um auch einmal für sich allein zu sein. Wenn ich da rauskomme, fühle ich mich einfach besser.
Das klingt sehr diszipliniert.
Maffay: Das stimmt. Ich merke, dass die Anforderungen nur zu leisten sind, wenn ich mit einer gewissen Disziplin und Rhythmik lebe. Ich halte mich daran, und es funktioniert gut. Zudem habe ich einen sehr geregelten Tagesablauf. Ich bin Frühaufsteher, genieße den Tag und arbeite viel. Morgens bringe ich unsere Tochter in den Kindergarten und bin dann um 8 Uhr im Büro. Mein Stundenplan ist ziemlich dicht, aber ich könnte es absolut nicht genießen, zu Hause herumzusitzen. Das würde auch mein Umfeld nicht genießen. Die sind alle froh, dass ich noch in der Gegend herumturne.
In den letzten Monaten sah man Sie im Fernsehen als Juror bei The Voice of Germany (TVOG). Hätten Sie selbst in den 1960er-Jahren an so einer Talentshow teilgenommen?
Maffay: Nein, wohl nicht. Musik und eine Jury entsprechen nicht meiner Auffassung von Rock ’n’ Roll. Das fing schon in der Schule an. Ich fand die Notenbewertung grauenhaft. Sie hat mir komplett die Lust auf das Lernen genommen, sodass ich in meinem letzten Jahr 185 Tage gefehlt habe – also eigentlich gar nicht mehr hingegangen bin. Wenn dann später in einer Jury Leute saßen, die mich musikalisch bewertet haben, lief das für mich auf dasselbe hinaus. Die einzige Bewertung, die ich akzeptiere, kommt vom Publikum. Wenn die Leute beim Konzert lieber Bier holen gehen, hat man schlecht gespielt.
Für TVOG haben Sie offenbar Ihre Meinung geändert?
Maffay: "The Voice" legt es nicht darauf an, jemanden zu benoten. Es gibt zwar ein spielerisches Prinzip, nach dem am Ende einer gewinnt – das ist die Kehrseite der Auswahl. Gleichzeit aber existieren viele Beispiele von Künstlern, die zwar ausgeschieden sind, aber es im Anschluss viel weiter als manche Gewinner gebracht haben. Max Giesinger ist so jemand, der es geschafft hat, das Publikum zu begeistern, obwohl er nicht gewonnen hatte. Die Sendung läuft zwar auf eine Auswahl hinaus, aber das steht nicht im Vordergrund. Priorität ist, Künstlern eine gute Plattform zu geben und sie adäquat vor einem großen Publikum zu präsentieren.
Aktuell erschien Ihr neues Tabaluga-Album. In den acht Jahren seit dem letzten ist viel in der Welt passiert. Spiegelt sich das auf der neuen Platte?
Maffay: Unbedingt. Auf dem Album "Tabaluga – Die Welt ist wunderbar" geht es um den Erhalt unseres Planeten. Manche übersehen, was für ein wunderschöner Planet die Erde ist, die wir für eine Weile beleben dürfen. Aber wir haben Klimawandel, wir haben mitten in Europa einen Krieg. Es gibt Gründe genug, sich dazu zu äußern. Ich spreche da nur für mich, aber als Musiker kann ich am Zeitgeschehen nicht vorbeigehen. Wenn ich das tun würde, verpasste ich die Chance zu zeigen, wofür ich stehe und warum ich dort stehe. Ich bin mit einer Musik aufgewachsen, in der eine solche Reflexion über Zeitgeschehnisse stattgefunden hat. Bob Dylan, Joan Baez und viele andere dieser Generation haben alle eine Position bezogen. Das hat damals sogar für Veränderungen in der Gesellschaft gesorgt. Ich finde das nach wie vor wichtig, und Musik ergibt nur so einen Sinn. Es muss zwar nicht jeder Song so geartet sein, aber das ist meine persönliche Herangehensweise.
Fällt es Ihnen leicht, solche ernsten Themen für Kinder aufzubereiten?
Maffay: Eher nicht. Man versucht, die ganze Brutalität und Heftigkeit herauszunehmen und eine weichere, spielerische Erzählform zu finden, sonst würden Kinder das nicht verkraften. Wir wollen ihnen Hoffnung vermitteln. Die Geschichte muss einen Ausblick auf eine positive Lösung haben. Aber diese Einstellung muss ich nicht erst in mir erzeugen, sie ist von Anfang an da. Ich sehe das halb volle und nicht das halb eere Glas. Und so tun das auch meine Freunde, die an dem Album mitgearbeitet haben. Wir glauben daran, dass man den Hebel umlegen kann, wir wissen aber, dass das nur geht, wenn wir alle zusammenarbeiten. Das ist die Message, die wir versuchen in eine teils auch humorvolle Version zu bringen. Eine positive Erzählung vor dem Hintergrund einer ernst zu nehmenden Realität.
Vielen Dank für das Gespräch.
Die Fragen stellte Rüdiger Freund.