Seltene Erkrankungen: Spezialisten gesucht

Viele Menschen, die unter einer seltenen Erkrankung leiden, werden erst spät diagnostiziert.

Viele Menschen mit seltenen Erkrankungen erhalten Ihre Diagnose erst sehr spät.
Patienten mit einer seltenen Erkrankung haben bis zur Diagnose oft bereits einen langen Leidensweg hinter sich.
© Alzheimer Forschung Initiative e.V.

Als Hannelore E. das Wiener Zentrum für seltene und unbekannte Erkrankungen verlässt, endet eine wahre Odyssee. Sie ist zu diesem Zeitpunkt 69 Jahre alt und lebt seit 39 Jahren mit der Diagnose "Morbus Gaucher" – ohne dass sie richtig behandelt wurde.

Bei dieser Krankheit fehlt dem Körper ein spezielles Enzym, ein Eiweiß, das dem Körper als Schneidewerkzeug für bestimmte Fettteilchen dient. Durch den Mangel an dem Enzym werden diese Fettteilchen in der Nahrung und im Stoffwechsel nicht richtig abgebaut. Die Folge: Patienten haben starke Schmerzen, sind andauernd müde und bluten schneller und länger als Gesunde. Dabei kann die Kombination dieser Anzeichen je nach Patient völlig unterschiedlich ausfallen. Die Symptome treten oft schleichend auf und verstärken sich mit den Jahren. Dadurch wird die Krankheit häufig erst spät erkannt, und gerade ältere Menschen belasten die Krankheitsfolgen sehr.

Langwierige Suche nach einem Spezialisten

Nur etwa einer von 40 000 Menschen in Europa leidet an Morbus Gaucher. Da verwundert es kaum, dass viele Ärzte oft erst nach längerer Zeit die richtige Diagnose stellen und eine gezielte Therapie beginnen. Dass Hannelore E. erst nach 39 Leidensjahren einen Spezialisten gefunden hat, der ihr Mut macht und die korrekte Behandlung in die Wege geleitet hat, ist nicht ungewöhnlich für Menschen mit einer seltenen Erkrankung. Entdeckt hat sie den Spezialisten, nachdem sie Zugang zum Internet bekam. Die Ärzte, bei denen sie zuvor in Behandlung gewesen war, hatten es offenkundig versäumt, sie an den vor Ort ansässigen Experten zu verweisen.

Dass manche Ärzte nicht über seltene Erkrankungen und ihre Behandlung Bescheid wissen, ist nur eines der typischen Hindernisse, auf die Patienten wie Hannelore E. stoßen. Grundsätzlich besteht die Schwierigkeit, dass die Forschung zu Krankheiten, die in der Bevölkerung nicht sehr verbreitet sind, sowohl an Universitäten als auch in der industriellen Entwicklung nur langsam vorankommt – jedenfalls verglichen mit Volkskrankheiten wie Diabetes. Oft liegt das an hohen Kosten für die Forschung. Immerhin schafft hier die Europäische Union (EU) Abhilfe: Sie fördert die Entwicklung von Arzneimitteln gegen seltene Erkrankungen. Beispielsweise erleichtert die EU es den Unternehmen, solche Medikamente in Europa auf den Markt zu bringen. Zudem entfallen die dafür sonst nötigen Gebühren. Außerdem darf das jeweilige Unternehmen das Mittel länger allein vermarkten, ohne dass andere Firmen es kopieren können.

Forschung bringt neue Therapien

Die Forschung zu seltenen Erkrankungen zahlt sich aus, wie im Fall von Morbus Gaucher: So gibt es seit mehr als zwanzig Jahren eine gut wirksame sogenannte Enzymersatztherapie. Patienten erhalten dabei etwa alle zwei Wochen eine Spritze, die den Körper mit dem fehlenden Enzym versorgt. In leichteren Fällen gibt es auch Behandlungen, die das Entstehen der schädlichen Fettteilchen bremsen.

Entscheidend für den Erfolg ist, die Krankheit früh zu entdecken, um Folgeschäden zu verhindern. In einigen Städten existieren Fachzentren, die dabei helfen, seltene Erkrankungen zu erkennen. Weitergehende Informationen liefern auch Patienten-Selbsthilfe-Organisationen, etwa die Gaucher Gesellschaft Deutschland e.V. – die Internetadresse: www.ggd-ev.de.

Für Hannelore E. war der Gang zum Spezialisten jedenfalls Gold wert: Die mittlerweile 74-Jährige fühlt sich heute deutlich fitter, und ihre Schmerzen haben nachgelassen. "Ich bin voller Lebensfreude. Jetzt versuche ich, die Jahre, die mir noch bleiben, so intensiv wie möglich zu genießen."

Maximilian Baur

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