Mikroplastik in Kosmetik: Kussecht nur dank Kunststoff?
Natascha Plankermann
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15.02.2022
Mikroplastik in Puder, Lippenstift oder Duschgel: Vielen Kosmetika werden Kunststoffe zugesetzt. Doch schadet das der Gesundheit? Eine Expertin gibt einen Überblick.
Warum setzen Hersteller überhaupt Kunststoff e in Kosmetik-Produkten ein? "Kunststoffe sorgen etwa dafür, dass ein Gel entsteht. Sogenannte synthetische Polymere fixieren die Haare, bilden Emulsionen oder machen die Creme softer. Bei Produkten wie Lippenstiften will man mithilfe von Mikroplastik beispielsweise Glanz oder eine bessere Konsistenz erreichen", erklärt Dr. Kerstin Effers. Die Chemikerin arbeitet als Referentin für Umwelt und Gesundheitsschutz bei der VerbraucherzentraleNordrhein-Westfalen und befasst sich mit den gut verborgenen Miniteilchen.
Kosmetik unter der Lupe
Effers beobachtet einen Trend: Als Schleifmittel in Peelings oder Zahnpasta taucht Mikroplastik kaum noch auf. Allerdings zeigt eine Recherche von Greenpeace von 2021, bei der 664 dekorative Kosmetikprodukte untersucht wurden, dass 76 Prozent von ihnen mindestens einen Inhaltsstoff aus Plastik enthielten. Das galt nicht nur für Puder, sondern auch für Make-up, Lippenstift oder Lipgloss.
Als Mikroplastik gelten laut dem Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik alle Kunststoffpartikel, die kleiner als fünf Millimeter sind. Für Gefahr sorgen sie nicht nur, weil sie in die Umwelt gelangen und dort nicht abgebaut werden können. Auch der Körper hat mit ihnen zu kämpfen – wenn wir etwa Lippenstiftspuren verschlucken oder Puder einatmen. "In Tierversuchen haben Forscher gesehen, dass sich Mikroplastikpartikel in der Leber anreicherten und für Entzündungen sorgten", sagt Effers. Aktuell hat eine Forschergruppe aus Marburg Entzündungsreaktionen in Gefäßen bei Experimenten mit Zellkulturen und in Tierversuchen festgestellt. Dabei wurden Partikel des häufig verwendeten Kunststoffs Polystryrol eingesetzt.
Risikofaktor für Gefäße?
Wie hoch die Gesundheitsrisiken liegen, lässt sich laut Chemikerin Effers schwer beurteilen: "In den Produkten findet sich eine Vielzahl von Kunststoffen in unterschiedlichen Formen, Größen und mit verschiedensten, teilweise toxischen Zusatzstoffen. Es ist nicht einfach zu analysieren, welchen Effekt sie haben. Mikroplastik kann obendrein noch mit Mikroorganismen besiedelt sein." Der Biologe Dr. Karsten Grote, der die Marburger Forschungsarbeiten leitete, hält indes fest: Mikroplastik stellt einen neuartigen Risikofaktor für Gefäßerkrankungen dar, der berücksichtigt werden muss. Weil gesetzliche Regelungen erst ab 2028 geplant sind, rät Effers, zu zertifizierter Naturkosmetik zu greifen. Hilfestellung gibt auch ein Einkaufsratgeber des Bundes für Umwelt und Naturschutz . Effers: "Produkte mit einem Naturkosmetiksiegel dürfen keine Bestandteile auf Mineralölbasis enthalten. Damit ist ein Großteil der Kunststoffe vom Tisch." Allergikern empfiehlt sie, trotzdem auf das Etikett zu schauen. Wer etwa auf Korbblütler empfindlich reagiert, benutzt am besten auch die plastikfreie Ringelblumensalbe nicht.
Mithilfe von Apps können die Inhaltsstoffe von Kosmetika offengelegt werden. Dafür wird der Produkt- Barcode eingescannt, zum Teil nennt die App gesündere und nachhaltigere Alternativen. Zwei Beispiele: Beat the Microbead (www.beatthemicrobead.org),Codecheck (www.codecheck- app.com/de)