Experimenteller Virus-Killer: Einer gegen alle
18.08.2011
Das Breitspektrum-Medikament, das die Wissenschaftler in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift "PLoS ONE" vorstellen, hat einen völlig anderen Wirkmechanismus als bisher verfügbare antivirale Arzneistoffe. Es erkennt virusinfizierte Zellen an bestimmten Abschnitten in ihrem Erbgut, die in gesunden Zellen nicht vorkommen. Diese Abschnitte fügt das Virus der gesunden Erbsubstanz der Zelle bei der Infektion hinzu.
Für den neuen Wirkstoff verknüpften die Wissenschaftler um Todd H. Rider vom Massachusetts Institute of Technology aus Cambridge, USA, zwei menschliche Eiweißstoffe. Das Team nennt seine Neuentwicklung DRACO, eine Abkürzung für "Double-strained RNA Activated Caspase Oligomerizer".
DRACO macht sich die Eigenschaft der meisten Viren zunutze, während der Vermehrung lange Abschnitte der Erbsubstanz dsRNA zu produzieren. Auch in virusfreien Säugetierzellen kommt dsRNA vor, allerdings sind diese Abschnitte in der Regel relativ kurz. Sind in einer Zelle längere dsRNA-Abschnitte vorhanden, docken zwei oder mehrere DRACOs an diese an und verbinden sich zusätzlich untereinander. Diese quervernetzten DRACOs bilden Enzyme, die den Tod der befallenen Zelle auslösen.
Die Forscher testeten DRACO zunächst an Zellkulturen, die sie mit 15 verschiedenen Viren infizierten, darunter das Dengue-Virus und das H1N1-Grippevirus. In diesen Versuchen erwies sich der Wirkstoff als für gesunde Zellen nicht giftig, gleichzeitig aber als wirksam bei Virusbefall. Anschließend untersuchten die Wissenschaftler die Wirksamkeit an Mäusen, denen sie zunächst DRACO verabreichten und sie dann mit H1N1-Grippeviren infizierten. Die Wissenschaftler konnten anschließend bei den Tieren deutlich weniger Viren in der Lunge nachweisen, und es starben auch weniger als von den Vergleichstieren, die nicht mit DRACO behandelt worden waren.
Die Autoren sehen in DRACO einen vielversprechenden therapeutischen Ansatz für die Vorbeugung und Behandlung vieler Viruserkrankungen. Weitere Studien seien nötig, um zu beurteilen, wie lange nach einer Infektion DRACO erfolgreich eingesetzt werden können. Auch die Frage, ob der neue Therapieansatz sich zur Behandlung von Patienten mit chronischen oder fortgeschrittenen Virusinfektionen eignet, ist noch offen. Da DRACO alle virusinfizierten Zellen abtötet, könnte es bei diesen Patienten zu einem Verlust von katastrophal großen Zellmengen kommen.
am / PZ