Arthrose nicht als Schicksal sehen

Arthrose lässt sich nur schwer behandeln. Ein Experte erklärt, wie sich Arthrose behandeln lässt.

Gegen Arthrose kann jeder selbst etwas tun.
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Woran liegt es, dass es in der Therapie der Arthrose keine bahnbrechenden therapeutischen Neuerungen gibt?

Madry: Generell kommen bahnbrechende medizinische Entwicklungen durch neue Forschungsergebnisse, und in diesem Bereich wurde die Arthrose in der Vergangenheit im Vergleich mit anderen Erkrankungsformen weltweit relativ stiefmütterlich behandelt. Die Krankheit ist zwar volkswirtschaftlich extrem bedeutend, aber das findet bislang zu wenig Wiederhall in den Schwerpunkten der Forschungsförderung. Zudem ist es langwierig und schwierig, vorhandene Forschungsergebnisse aus der Grundlagenforschung und Tiermodellen auf Patienten zu übertragen. Nicht zuletzt haftet der Arthrose etwas Schicksalhafte san. Viele Betroffene denken, die Krankheit gehöre zum Altern und sei so hinzunehmen.

Was denkt man bislang über die Entstehung von Arthrose?

Madry: Nähert man sich dem Thema, denkt man zu Beginn, na gut, der Knorpel reibt sich ab. Wenn man aber jetzt den Knorpel mit einem Autoreifen vergleicht, dann geht die Felge auch gleich mit kaputt. So ist es auch bei Arthrose: Nicht nur beim Knorpel, gleichzeitig auch in den angrenzenden Knochen, Bändern und Muskeln verändert sich etwas. Es handelt sich also um einen Prozess, der das gesamte Gelenk erfasst und sich nicht allein auf den Knorpel beschränkt. Bis in alle Einzelheiten ist die Entstehung der Arthrose aber noch nicht aufgeklärt. Einerseits wird eine genetische Veranlagung vermutet, andererseits kann sie auch als Folge einer Gelenkschädigung entstehen, wie beispielsweise nach Unfällen.

Welche Wege beschreiten Sie mit Ihrer Forschung zu Arthrose?

Madry: Wir forschen zum einen daran, den Startprozess für eine Arthrose auszumachen, also, ab wann und warum aus einem normalen Gelenk ein arthrotisches Gelenk wird. Hier betrachten wir in einzelnen Projekten zum Beispiel den Einfluss der Beinachse oder den einer Meniskusschädigung auf die Entstehung der Kniearthrose. Ebenso analysieren wir das Zusammenspiel des Knorpels mit dem darunterliegenden Knochen in der Arthrose. Zudem untersuchen wir sehr genau die an der Arthrose beteiligten Zelltypen, hauptsächlich Knorpelzellen. Das ist die Grundlagenforschung, der wir uns widmen.

Suchen Sie auch neue Ansätze für die Therapie?

Madry: Ja, unbedingt. Dabei geht es um innovative Ansätze mit Biomaterialien, Stammzellen oder um die Transplantation von Knorpelzellen oder – und das ist für uns ein sehr großes Thema – um das Einschleusen von körpereigenen Genen in Knorpelzellen, die Faktoren für das Knorpelwachstum herstellen. Das bremst die Arthrose und kann sie sogar rückgängig machen, wie wir an menschlichen Zell- und Organkulturen zeigen konnten. Allerdings gibt es dazu in Deutschland noch keine Studien mit Patienten, aber ich halte das für ein viel versprechendes Forschungsfeld.

Was ist für Menschen mit Arthrose die wichtigste Maßnahme, um die Beschwerden zu bessern?

Madry: Am Wichtigsten ist es, an Gewicht abzunehmen und die betroffenen Gelenke schonend zu bewegen. Große internationale Studien zeigen beim Vergleich von Patienten mit einer ähnlichen Kniegelenksarthrose, dass es denjenigen, die deutlich an Gewicht abgenommen haben, signifikant besser geht, bis hin zur völligen Schmerzfreiheit, im Vergleich zu denjenigen, bei denen das Gewicht unverändert geblieben ist. Zwar ändert die Gewichtsabnahme nichts am Befund Arthrose, aber die Betroffenen haben deutlich weniger Beschwerden.

Haben Sie einen Rat für Menschen mit Typ-2- Diabetes, die häufiger Arthrose haben als gesunde Menschen?

Madry: In der Tat stellt bei Diabetikern ein erhöhter Blutzuckerspiegel ein Risikofaktor für die Arthroseentstehung dar, auch unabhängig vom Gewicht des Patienten. Man vermutet, dass der hohe Blutzucker im Knorpel und in anderen Geweben Entzündungen hervorruft. Ebenso verringert die diabetesbedingte Nervenschädigung die muskuläre Koordination der Gelenkbewegung, und diese Prozesse können zu einer Arthrose führen.

Für Diabetiker ist somit ein enges Zusammenspiel zwischen den verschiedenen Spezialisten erforderlich. Dazu gehören diejenigen, die den Diabetes behandeln, sowie Orthopäden, Physiotherapeuten und auch Schmerztherapeuten. Patienten mit Diabetes haben bei Operationen aufgrund der Arthrose, wie bei allen Operationen, gegenüber Menschen ohne Diabetes ein erhöhtes Risiko für Komplikationen. Beruhigend für sie ist aber, dass trotz Diabetes das Operationsrisiko beherrschbar ist und jeder wichtige Eingriff auch durchgeführt werden kann.

Vielen Dank für das Gespräch.

Die Fragen stellte Apothekerin Isabel Weinert.

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