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11.04.2023
Eine einmalige Doxycyclin-Gabe soll als „Pille danach“ könnte einer neuen Studie zuoflge die Entstehung von bakteriellen sexuell übertragbaren Krankheiten wie Syphilis, Tripper oder Chlamydien verhindern: Das berichtet ein Team um Dr. Annie Luetkemeyer von der University of California in San Francisco in der Fachzeitschrift New England Journal of Medicine. Rund 500 Männer, die Sex mit Männern haben (MSM), und Transfrauen wurden in die Studie aufgenommen. Alle nahmen eine HIV-Präexpositionsprophylaxe (HIV-PREP) ein oder lebten mit einer HIV-Infektion. Zudem war bei allen im Jahr vor Studienstart eine Infektion mit einer sexuell übertragbaren Krankheit (STI) diagnostiziert worden.
Für die Studie nahm ein der Teil der Probanden innerhalb von 72 Stunden nach kondomlosem Geschlechtsverkehr einmal 200 mg Doxycyclin ein, die andere Gruppe nicht. Diese „Pille“ (genauer gesagt waren es Tabletten mit verzögerter Wirkstofffreisetzung) wurde in der ersten Gruppe durchschnittlich vier Mal pro Monat verwendet, wobei 25 Prozent zehn Dosen oder mehr einnahmen. Primärer Endpunkt der Studie war die Inzidenz von mindestens einer STI pro Nachbeobachtungsquartal. Tests auf Gonorrhö (Tripper), Chlamydien und Syphilis wurden vierteljährlich dazu durchgeführt.
Das Ergebnis: Die Inzidenz von Tripper, Chlamydien und Syphilis nahm insgesamt bei einer Doxycyclin-Einnahme um zwei Drittel im Vergleich zur anderen Gruppe ab. Über besondere Bedenken hinsichtlich des Nebenwirkungsprofils, der Sicherheit oder der Akzeptanz berichteten die Forscher nicht.
Was sagen Deutsche Experten dazu?
Das Science Media Center hat Expertenstimmen eingeholt, um dieses Studienergebnis einzuordnen. Privatdozent Dr. Christoph Spinnen vom Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München erinnert zum Beispiel daran, dass der unkritische Einsatz von antimikrobellen Substanzen für Resistenzen und Problemkeime mitverantwortlich ist. Für die Übertragung der klinischen Studienergebnisse in den medizinischen Alltag brauche es daher dringend entsprechende Leitlinien und Empfehlungen, insbesondere auch in welchen Konstellationen und Zielgruppen der Einsatz denkbar sein könnte.
Für Professor Dr. Norbert Brockmeyer von der Ruhr-Universität Bochum und Vorsitzender der Deutschen-STI-Gesellschaft sind die Daten aus den USA nicht eins zu eins auf Europa übertragbar. Er betont, dass die Resistenzraten für Gonokokken in den USA bezüglich Doxycyclin mit etwa 25 Prozent deutlich geringer seien als in Europa mit etwa 60 bis 70 Prozent und in Deutschland mit nahezu 80 Prozent. Man könne in der EU demnach nur mit einer Verringerung der Infektionen bei Chlamydien und Syphilis rechnen. Brockmeyer bringt in seinem Statement auch die Impfung mit einem Meningokokken-B-Impfstoff für Risikopersonen für eine Gonokokken-Infektion ins Spiel.
DOI: 10.1056/NEJMoa2211934