Phantomschmerz nach einer Amputation ist ein bekanntes Beispiel für dauerhaften Nervenschmerz. Weniger spektakulär, dafür erheblich häufiger kann sich ein solches Schmerzgeschehen nach einer Gürtelrose einstellen, fachsprachlich Herpes zoster genannt. Hier sorgen Viren in den Nervenbahnen dafür, dass ein sehr schmerzhafter Hautausschlag auftritt. Zwischen zehn und 20 Prozent aller Menschen erkranken im Laufe des Lebens an einer Gürtelrose. Am häufigsten betroffen sind ältere Menschen zwischen dem 60. und 70. Lebensjahr. Hinzu kommt, dass die Krankheit bei ihnen viel schwerer verläuft als bei jüngeren.
Viele Betroffene bekommen Dauerschmerzen
Nachdem der Ausschlag der Gürtelrose abgeheilt ist, behalten zwischen einem und zwei Drittel der Patienten über 50 Jahre dauerhafte Nervenschmerzen zurück. Doch das liegt nicht mehr an von den Viren befallenen Nerven am Rumpf oder im Gesicht, denn das eigentliche Krankheitsgeschehen ist längst abgeklungen. Eine "Alarmglocke" in Form von Schmerz ist somit unnötig. Es liegt vielmehr am Rückenmark und Gehirn, dass der Schmerz bestehen bleibt. Hier hat sich der schwere Schmerz geradezu in die Struktur der Nerven und das Zusammenspiel der Nervenbotenstoffe eingeprägt. Ein Schmerzgedächtnis hat sich aufgebaut. Bestehen die Dauerschmerzen bereits länger, lassen sie sich nicht so einfach wieder loswerden. Da oft auch psychische Ursachen eine Rolle spielen, beinhaltet die Behandlung neben physikalischer Therapie, wie Gymnastik oder Kälteanwendungen, auch Schmerzmedikamente und psychologische Verfahren. Dabei geht es darum, die Schmerzbewältigung zu trainieren,
Schmerzfolgen wie Depressionen oder Schlaflosigkeit zu lindern und Alltagsstress zu reduzieren.
Heute wissen Ärzte, dass die Dauer und die Stärke der Nervenschmerzen auch davon abhängen, wie intensiv die Schmerzen zu Anfang der Erkrankung waren, also als die Gürtelrose mit Ausschlag begonnen hat. Um erst gar nicht in die Situation zu kommen, dass sich ein Schmerzgedächtnis ausbildet, gehen die Ärzte daher schon von Beginn an gegen die Schmerzen vor. Während die Ursache der Gürtelrose, die Viren, konsequent mit virenhemmenden Arzneimitteln behandelt wird, steht parallel eine Schmerztherapie auf dem Programm.
Den Schmerz rasch unterdrücken
Welche Medikamente dabei zum Einsatz kommen, entscheidet der behandelnde Arzt je nach der individuellen Schmerzstärke des Patienten. Das reicht von einfachen Schmerzmitteln wie Paracetamol oder Ibuprofen bis hin zu weit stärker wirksamen Mitteln wie Opioiden. Auch bestimmte Antidepressiva oder Antiepileptika können eingesetzt werden. Je besser und schneller der Arzt die akuten Schmerzen und die Gürtelrose insgesamt in den Griff bekommt, desto seltener bleibt ein Dauerschmerz zurück. Im Vorfeld ist auch eine Impfung möglich. Sie kann eine Gürtelrose und damit Zosterschmerz vielfach verhindern.
Apotheker Rüdiger Freund