Beim Wäschewaschen fällt ein Tütchen mit Marihuana aus der Hosentasche des Sohnes. Die Tochter kehrt von der Party zurück – mit rot unterlaufenen Augen und dem "Duft" von Cannabis in den Klamotten. So oder so ähnlich stellen manche Eltern fest, dass ihr Kind wohl ab und zu kifft. Gilt es jetzt, drastisch einzuschreiten, oder ist ein Joint hin und wieder doch okay? Suchtexperte Frank Langer, Mitarbeiter der Fachstelle für Suchtprävention der "Suchthilfe direkt Essen", rät: "Man sollte nichts verteufeln, aber auch nicht bagatellisieren."
Wirkung und Gefahren
Etwa die Hälfte der 18- bis 25-Jährigen hat laut einer aktuellen Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung schon einmal Cannabis probiert. In der Altersgruppe der 12- bis 17-Jährigen hat jeder Elfte bereits einmal gekifft. Regelmäßig konsumieren aber deutlich weniger junge Menschen die Droge – etwa 1,6 Prozent der Jugendlichen und 8,6 Prozent der jungen Erwachsenen. Die Wirkung der Droge hängt von der Menge des enthaltenen Tetrahydrocannabinols, kurz THC, aber auch von äußeren Bedingungen ab. Neben positiven Emotionen, Lachanfällen sowie Heißhunger gibt es eine große Anzahl möglicher negativer Reaktionen. Dazu gehören: Angst- und Panikgefühle, Übelkeit, Schwindel, Herzrasen und Halluzinationen bis hin zum "Horrortrip".
Längerfristig kann Cannabiskonsum in eine psychische Abhängigkeit führen. Gerade bei Jugendlichen besteht die Gefahr, dass sich die geistige Leistungsfähigkeit verschlechtert, die Persönlichkeitsentwicklung gestört wird und sich das Risiko für Schizophrenie erhöht. Bei jungen Menschen, die kiffen, treten häufiger Depressionen und andere psychische Störungen auf.
Ins Gespräch kommen
Langer: "Wichtig ist es zunächst, das Gespräch zu suchen." Welche Gründe hat das Kind für den Cannabiskonsum? Hat es nur experimentiert, konsumiert es nur gelegentlich oder bereits regelmäßig? Der Suchtexperte empfiehlt, eine gute Gelegenheit für das Gespräch abzuwarten, auf Vorwürfe zu verzichten, stattdessen ruhig zu bleiben und offene Fragen zu stellen. Etwa: "Ich habe in letzter Zeit an dir beobachtet, dass du …" Oder: "Ich mache mir Sorgen. Wann und warum hast du mit dem Kiffen angefangen, was fasziniert dich daran?" Vorab sollten sich Eltern gut informieren sowie ein Ziel und eine Erwartungshaltung für sich formulieren. Das kann laut Langer durchaus sein, dass man noch nicht will, dass der oder die Jugendliche schon in der Teeniezeit zu kiffen beginnt. Dafür gibt es gute Argumente. "Bei Heranwachsenden bis ins Alter von etwa 20 Jahren ist das Gehirn in einer sehr wichtigen Reifungsphase. Regelmäßiger Drogenkonsum, ob legal oder illegal, kann schaden. Täglicher Konsum wäre eine ziemliche Katastrophe", so Langer.
Die langfristigen Auswirkungen auf Konzentration, Lernen und Affektkontrolle sind das eine. Aber auch die Psyche wird beeinflusst. Der Sozialpädagoge beschreibt: "Nicht jedes Kiffen führt zu einer Psychose, aber das Risiko, psychisch zu erkranken, steigt mit dem Cannabiskonsum. Psychoaktive Substanzen wie Marihuana und Haschisch sind in der Lage, unser Denken, Fühlen und Handeln stark zu beeinflussen, das geht immer mit einem gewissen Risiko einher. Besonders gefährdet sind Jugendliche, die bereits sehr früh mit dem Cannabiskonsum begonnen haben."
Grenzen & Konsequenzen
Aber was ist dann noch okay und was zu viel? Langer betont, dass nicht jeder, der einmal an einem Joint gezogen hat, zum regelmäßigen Kiffer wird: "Meistens bleibt es beim Ausprobieren. Wenn Eltern aber mitbekommen, dass ihr Nachwuchs jedes Wochenende oder sogar täglich kifft, wäre das schon zu viel." Dann sei es wichtig, dass Eltern klare Regeln aufstellen. Auch wenn sich Kinder in der Pubertät abgrenzen wollen, bleiben Haltung und Meinung der Eltern wichtig. Langer erklärt es so: "In dieser Phase sollte die Straße der Möglichkeiten für die Jugendlichen sehr breit sein, aber links und rechts sind Planken, da dürfen die Kinder nicht drüber." Um die Regeln durchsetzen zu können, müssen Eltern klare Konsequenzen formulieren und diese, wenn nötig auch ausführen. Sonst mache man sich bei dem Kind unglaubwürdig, so der Experte. Wenn das Kind beim Ausgehen am Wochenende kifft, könne man die nächste Party durchaus verbieten. Wichtig sei allerdings auch, dass die Eltern immer erklären, wieso ihnen die Einhaltung der Regeln so wichtig ist.
Wenn es den Eltern selbst nicht gut gelingt, mit ihrem Kind ins Gespräch zu kommen oder sie das Gefühl haben, dass sich der Cannabiskonsum nicht reduziert, können sie sich jederzeit professionelle Hilfe suchen. Kommunale Drogenberatungsstellen beraten nicht nur die betroffenen Jugendlichen, sondern auch ihre Angehörigen. "Wir sind für alle da, die in irgendeiner Weise von einer Sucht- oder Konsumproblematik berührt sind. Die Mitarbeitenden sind in der Beratung von Betroffenen und Angehörigen sehr gut ausgebildet, unterliegen der Schweigepflicht, und die Beratung kostet nichts", betont Langer.