Im Jahr 1999 fertigten Sie die ersten Arzneimittel auf der Basis von Cannabis an. Wie verlief der Start?
Heinz: Der Start verlief zunächst etwas holprig. Lange Zeit wollte die Politik den Einsatz von Cannabis in der Medizin nicht. Zur "Abschreckung" durchsuchte sogar das Landeskriminalamt meine Apotheke, und die Beamten beschlagnahmten meinen Computer. Ich blieb aber von der medizinischen Wirkung von Cannabis überzeugt und habe mich natürlich die ganze Zeit an geltendes Recht gehalten.
Welche Patienten bekommen Cannabis-Medikamente verschrieben?
Heinz: Zu mir kommen Patienten, denen eine herkömmliche Therapie nicht mehr weiterhilft. Hierzu zählen Krebskranke, die ihre Schmerzen lindern, sowie Menschen, die unter Parkinson oder Multipler Sklerose leiden und ihre Spastiken bekämpfen möchten. Auch Eltern von Kindern, die eine schwere Form der Epilepsie haben, finden den Weg in meine Apotheke.
Viele werfen Cannabis und Drogen in einen Topf.
Heinz: Dieses Vorurteil herrscht leider noch immer in vielen Köpfen. Vor meiner Apotheke stehen jedoch keine "Kifferschlangen". Ich möchte Patienten helfen, denen andere Medikamente keine ausreichende Linderung ihrer Beschwerden mehr verschaffen.
Wie genau hilft Cannabis Patienten?
Heinz: Im Interesse der Pharmazeuten stehen zwei Inhaltsstoffe. Manche kennen vielleicht Tetrahydrocannabinol, kurz THC genannt. Es sorgt für den berauschenden Effekt. Eine Variante, das Dronabinol, verschreiben Ärzte bei den bereits erwähnten Schmerzpatienten und Spastiken. Auch zur Behandlung von Appetitlosigkeit mit Gewichtsverlust bei AIDS-Patienten und als Mittel gegen Übelkeit und Erbrechen im Rahmen einer Chemotherapie kommt es zum Einsatz. Inzwischen dürfen Apotheken nicht nur das synthetisch hergestellte Dronabinol auf ein ärztliches Rezept hin abgeben, sondern auch Cannabisblüten und natürliche Cannabis-Vollextrakte.
Und wie sieht es mit dem zweiten Inhaltsstoff aus, der für Arzneimittel eine Rolle spielt?
Heinz: Hier handelt es sich um Cannabidiol. Im Gegensatz zum bekannteren THC macht es nicht "high". Ärzte verschreiben es etwa bei Ängsten, Unruhe und Schlafstörungen, aber auch wie bereits erwähnt vor allem bei Kindern, die unter Epilepsie leiden. Wichtig ist, dass beide Wirkstoffe, aber auch die Cannabisblüten und -extrakte, ein Arzt verschreiben muss. Für das Dronabinol muss es sogar ein Betäubungsmittel-Rezept sein. Hierfür gelten besonders strenge rechtliche Vorschriften.
Strenge Regeln beim Rezept. Gelten die auch für die Herstellung?
Heinz: Es handelt sich bei Cannabis-Medikamenten um in der Apotheke hergestellte Arzneimittel, sogenannte Rezepturen. Bei der Herstellung halte ich mich wie alle anderen Apotheken auch an genau festgelegte Vorschriften. Diese erstellt eine Einrichtung der Apothekerschaft, das Neue Rezeptur-Formularium, mit Sitz in Eschborn. Zudem überprüfe ich jedes Präparat, das Cannabidiol oder Dronabinol enthält, auf seinen genauen Gehalt – unabhängig davon, ob es individuell für einen Patienten hergestellt ist oder ob größere Stückzahlen hergestellt wurden. Die Patienten befinden sich in puncto Cannabismedikamente in der Apotheke deswegen immer in sicheren Händen.
Präparate mit Cannabidiol gibt es auch im Internet, oft von ausländischen Anbietern ...
Heinz: Ich kann nur davor warnen, solche Präparate über das Internet oder andere dubiose Quellen zu beziehen. Auch Geschäfte, die sich auf Cannabis-Produkte spezialisiert haben, sehe ich sehr skeptisch. Zum einen wissen die Patienten nicht, was in den Produkten wirklich drin steckt. Zum anderen können Patienten je nach Art der Ware auch rechtliche Probleme bekommen, wenn sie Cannabis-Produkte nicht über die Apotheke beziehen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Die Fragen stellte Peter Erik Felzer.