28.08.2015
Im Fall der betroffenen Antibiotika befürchten Experten der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie (DGI) und des Bundesverbandes Deutscher Krankenhausapotheker (ADKA), dass Ersatzpräparate die Bildung resistenter Bakterien begünstigen und Patienten gefährdet werden können. Sie fordern daher umfassende und frühzeitige Information und Strategien im Falle bevorstehender Engpässe. Die Knappheit betreffe die klinisch gleichwertigen, im Ausland häufiger verwendeten Alternativpräparate des Antibiotikums Amoxicillin und Amoxicillin/Clavulansäure. „Manche Klinikapotheken müssen vorhandene Reserven streng rationieren, während andere noch ausliefern, aber nur noch sehr kurze Zeit lieferfähig sind“, erläutert Dr. Matthias Fellhauer vom ADKA die aktuelle Lage. Die häufig verwendete Wirkstoffkombination Ampicillin/Sulbactam eigne sich für Haut- und Weichteilinfektionen, Wundinfektionen, bestimmte Formen der Lungenentzündung und Infektionen im Kopf- und Halsbereich. „Neben dem günstigen Wirkspektrum ist das Präparat vergleichsweise arm an Nebenwirkungen und gehört deshalb zu den häufig verordneten intravenösen Antibiotika im stationären Bereich“, erläutert Professor Dr. med. Gerd Fätkenheuer die Bedeutung des Medikaments. „Oft müssen dann breiter wirksame Präparate eingesetzt werden. Hierdurch wird aber die Wahrscheinlichkeit einer Resistenzbildung der Bakterien gegen sogenannte Reserveantibiotika erhöht“, so der Präsident der DGI. Viele Ärzte würden ersatzweise auf Antibiotika zurückgreifen, die unter Verdacht stünden, die Ausbreitung von multiresistenten Bakterien und Clostridium difficile, einem gefährlichen Durchfallerreger, zu fördern.
Lieferschwierigkeiten gibt es derzeit auch beim Krebsmedikament mit dem Wirkstoff Melphalan. Das teilen AKDA, die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) sowie die Deutsche Gesellschaft für Onkologische Pharmazie (DGOP) in einer gemeinsamen Mitteilung mit. Das Medikament wird vor allem in der Behandlung von Leukämien und Lymphomen zur Vorbereitung auf Stammzelltransplantationen eingesetzt. Da es nicht durch andere Substanzen ersetzt werden kann, müssen aktuell die Therapie von Patienten auf unbestimmte Zeit verschoben werden. Dies sei auch mit dem Risiko eines Fortschreitens der Erkrankung verbunden. In der Vergangenheit hatten ADKA, AkdÄ und DGOP bereits wiederholt auf die Problematik von Lieferabrissen hingewiesen. Das Beispiel Melphalan zeige nun erneut, dass es ohne weitere rechtliche Regelungen nicht möglich sei, solche Engpässe in der Arzneimittelversorgung zukünftig zu vermeiden. Zwar sehe das Arzneimittelgesetz Maßnahmen vor, um die Versorgung mit Arzneimitteln zu garantieren. Diese würden jedoch nicht ausreichen. In ihrer Mitteilung fordern die Experten daher klare Vorgaben für eine enge Zusammenarbeit der pharmazeutischen Unternehmen mit den Zulassungsbehörden.
NK