Baby & FamilieGesundheit

Muss der Blinddarm wirklich raus?

PZ/NAS  |  07.02.2025 12:49 Uhr

Seit einigen Jahren wird diskutiert, ob Kinder mit einer unkomplizierten Blinddarmentzündung wirklich operiert werden müssen – oder ob Antibiotika zur Behandlung ausreichen. Eine aktuelle Studie im Fachjournal „The Lancet“ kommt zu einem klaren Ergebnis.

Ärztin, untersucht den Bauch eines Jungen.
Starke Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und leichtes Fieber sind typische Symptome einer Blinddarmentzündung.
© Drazen Zigic/iStockphoto

Eine Blinddarmentzündung ist bei Kindern keine Seltenheit: Die Entfernung des Blinddarms zählt zu den häufigsten chirurgischen Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter. Jährlich werden in Deutschland mehr als 23.000 Kinder und Jugendliche am Blinddarm operiert. Doch seit einigen Jahren wird diskutiert, ob eine Operation in jedem Fall notwendig ist oder ob eine Behandlung mit Antibiotika ausreichen könnte.

Eine aktuelle Studie, veröffentlicht im renommierten Fachjournal "The Lancet", gibt darauf nun eine Antwort: Untersucht wurden 936 Kinder und Jugendliche im Alter von fünf bis 16 Jahren, die eine unkomplizierte Blinddarmentzündung hatten – also ohne Durchbruch oder schwere Komplikationen. Eine Hälfte der Kinder wurde sofort operiert, die andere Hälfte erhielt zunächst Antibiotika. Diese wurden mindestens zwölf Stunden lang als Infusion verabreicht, danach erfolgte eine zehntägige Behandlung mit Tabletten.

Antibiotika-Therapie versagt bei jedem dritten Kind

Das wichtigste Ergebnis: Antibiotika allein reichten bei vielen Kindern nicht aus. Innerhalb eines Jahres musste jedes dritte Kind (34 Prozent), das zunächst nur mit Medikamenten behandelt wurde, doch noch operiert werden. Zwar erholten sich die Kinder mit Antibiotikabehandlung schneller, konnten früher wieder zur Schule gehen und benötigten seltener Schmerzmittel. Doch langfristig war die Wahrscheinlichkeit einer erneuten Erkrankung oder eines notwendigen Eingriffs deutlich höher.

Sicherheit und Nebenwirkungen im Vergleich

Ein weiteres wichtiges Thema ist die Sicherheit der beiden Behandlungsformen. Während beide Methoden keine lebensbedrohlichen Nebenwirkungen zeigten, traten bei der Antibiotikatherapie häufiger leichte bis mittelschwere Beschwerden wie Magen-Darm-Probleme auf. Die Operation erwies sich insgesamt als sicherer und zuverlässiger.

Professor Dr. Udo Rolle, Direktor der Klinik für Kinderchirurgie und Kinderurologie am Universitätsklinikum Frankfurt am Main, fasst die Studienergebnisse so zusammen: „Die Ergebnisse der Studie sprechen eindeutig dafür, dass die Antibiotikatherapie der Blinddarmoperation unterlegen ist.“ Zwar sei die Antibiotikatherapie kurzfristig eine weniger belastende Alternative, habe aber eine hohe Versagensrate. „Deshalb ist sie für die meisten Kinder keine langfristig sichere Option.“

Auch ein aktueller Cochrane-Review aus dem Jahr 2024 bestätigt diese Erkenntnisse: Bei einem Drittel der Kinder, die mit Antibiotika behandelt wurden, war letztlich doch eine Operation nötig. Das bedeutet aber auch, dass zwei Drittel der Patienten ohne chirurgischen Eingriff auskamen. Eltern sollten sich daher gemeinsam mit den behandelnden Ärzten genau beraten lassen, ob in einem individuellen Fall eine Antibiotikabehandlung infrage kommt – oder ob eine sofortige Operation die bessere Wahl ist.

Quelle: DOI: 10.1016/S0140-6736(24)02420-6

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