Apotheker Rüdiger Freund
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29.03.2025 10:27 Uhr
Hyperkinetisches Syndrom, ADHS oder Zappelphilipp-Krankheit – die Aufmerksamkeitsstörung hat viele Namen. Betroffene können sich oft schlechter konzentrieren, sind motorisch überaktiv und reagieren selbst bei kleinen Anlässen impulsiv. Besonders häufig wird die Störung bei Kindern diagnostiziert. Aber nicht nur. Auch bei zwei bis vier Prozent der Erwachsenen wird ADHS festgestellt.
Symptome von ADHS
ADHS zeigt sich in unterschiedlichen Erscheinungsbildern. Doch tauchen nicht immer alle gleichzeitig auf. Besonders auffällig sind
- motorische Unruhe mit starkem Bewegungsdrang und Ruhelosigkeit
- Neigung zu vorschnellem unüberlegtem Handeln, also eine erhöhte Impulsivität und Neigung zu Wutausbrüchen
- gestörte Aufmerksamkeit, die sich häufig in vorzeitigem Abbruch von Aufgaben und Tätigkeiten äußert. ADHS-Betroffene lassen sich leicht ablenken.
- Schwierigkeiten, Ruhe zu bewahren, einfach einmal abzuwarten und ihre Bedürfnisse aufzuschieben.
Die Symptome können sich je nach Alter unterschiedlich äußern.
ADHS im Kindesalter
Beim Kleinkind überwiegt der Bewegungsdrang: Die Kinder sind unfähig, still zu sitzen und ständig auf dem Sprung. Schulkinder mit ADHS sind unruhig und zappelig und stören dadurch oft den Unterricht. Im Jugendalter treten Impulsivität, Eigensinn und starke Stimmungsschwankungen in den Vordergrund.
ADHS im Erwachsenenalter
Erwachsene neigen zu Schusseligkeit und Vergesslichkeit. Sie haben Mühe, Aufgaben strukturiert zu planen und zu Ende zu führen. Häufige Jobwechsel und instabile Partnerschaften sind nicht selten. Zudem leiden ADHS-Betroffene viermal so häufig an Suchtproblemen: Um ruhiger und konzentrierter zu werden, greifen Betroffene zu Zigaretten, Alkohol oder anderen Drogen.
Verlauf
Die Störung kann auf unterschiedliche Weise verlaufen:
- Bei einem Teil der Kinder bildet sich die Krankheit im Jugendalter zurück und ist später nicht mehr erkennbar.
- Andere bleiben aufmerksamkeitsgestört, bilden aber keine zusätzlichen Symptome aus.
- Bei wieder anderen verschlimmern sich die Kennzeichen; sie neigen dann häufig zum Substanzmissbrauch. Meist nimmt die Intensität der Erkrankung aber mit zunehmendem Alter deutlich ab.
„Das wächst sich raus“ – so heißt es oft. Etwa 30 Prozent der Betroffenen leiden jedoch auch im Erwachsenenalter an den Symptomen.
Ursachen für ADHS
Die genaue Ursache für ADHS ist ungeklärt. Es gibt mehrere Risikofaktoren, die mit der Entwicklung von ADHS in Verbindung gebracht werden. Dazu gehören:
- Genetische Veranlagung: Ist ein Elternteil von ADHS betroffen, liegt die Wahrscheinlichkeit, dass das Kind diese Störung entwickelt, bei 20 bis 30 Prozent.
- Auch Umweltgifte und Nahrungsmittelallergien werden als Ursachen diskutiert.
- Äußere Umstände wie beengte Wohnverhältnisse, wenig emotionale Zuwendung, Bewegungsmangel, eine hektische Umwelt und negative Kindheitserfahrungen könnten ebenso eine Rolle spielen.
- Forscher vermuten, dass bei den Betroffenen die Informationsverarbeitung zwischen verschiedenen Abschnitten im Gehirn nicht richtig funktioniert. Die Gründe dafür könnten Störungen im Stoffwechsel der Botenstoffe Dopamin und Noradrenalin sein.
Gibt es Risikofaktoren?
Als Risikofaktoren, die ADHS begünstigen, werden vermutet:
- Rauchen und Alkoholkonsum in der Schwangerschaft: Kann die Gehirnentwicklung des Kindes beeinträchtigen.
- Drogenkonsum: Der Konsum von Drogen in der Schwangerschaft wird ebenfalls mit einem höheren ADHS-Risiko in Verbindung gebracht.
- Frühgeburt und niedriges Geburtsgewicht: Beide Faktoren können das Risiko erhöhen.
- Exposition gegenüber Toxinen: Kontakt mit Umweltgiften wie Blei während der Schwangerschaft oder frühen Kindheit.
Diagnose von ADHS
Die Diagnose von ADHS ist ein sorgfältiger Prozess, der mehrere Schritte umfasst. Typische Schritte sind:
- Anamnese
- Verhaltensbeobachtung
- Fragebögen und Tests
- Körperliche und neurologische Untersuchungen
- Anwendung diagnostischer Kriterien
Behandlung von ADHS
ADHS tritt vornehmlich im Kindesalter auf. Erwachsene zeigen seltener oder deutlich schwächere Symptome.
Muss ADHS behandelt werden?
Ob bei ADHS eine Behandlung erforderlich ist, hängt davon ab, wie belastend die Symptome sind. Hyperaktivität und Konzentrationsschwierigkeiten wirken sich meist negativ auf die schulische Entwicklung aus.
Was kann helfen bei ADHS?
Wichtig ist, die Behandlung von ADHS individuell an die Bedürfnisse des Betroffenen anzupassen und auch das soziale Umfeld (Familie, Freunde, Lehrer/Erzieher) einzubeziehen.
Folgende Maßnahmen können bei ADHS helfen:
- Elternschulung / Unterstützung in Schule bzw. Kindergarten
- Verhaltenstherapie
- Medikamente
Die einzelnen Maßnahmen können sich hierbei gegenseitig ergänzen.
Elternschulung
In einer Elternschulung lernen Eltern eines an ADHS erkrankten Kindes mit der Störung im Alltag umzugehen. Die Schulung trägt zum besseren Verständnis von ADHS und den damit verbundenen Auswirkungen auf Verhalten und Körper des Kindes bei. Darüber hinaus erhalten Eltern Tipps, wie sie den Alltag für ihre Kinder erleichtern können. So hilft es zum Beispiel vielen Kindern, wenn sie einen strukturierten Tagesablauf haben und man ihnen klare Regeln und genaue Anweisungen erteilt. Viele Kinder mit ADHS haben Schwierigkeiten, mit Abweichungen von der festen Struktur oder ungewöhnlichen Ereignissen umzugehen – sie meistern diese Situationen besser, wenn Eltern sie darauf vorbereiten. Auch ist es wichtig, ihnen klare Anweisungen zu geben und ihnen Lob auszusprechen, wenn sie sich an aufgestellte Regeln halten. Oft entwickeln Eltern mit der Zeit Strategien, wie sie am besten mit ihrem Kind und seiner Erkrankung umgehen.
Unterstützung in Kindergarten und Schule
Da ADHS auch im Kindergarten und in der Schule oft zu Problemen führt, ist es sinnvoll, Erzieher und Lehrer in die Behandlung miteinzubeziehen, zum Beispiel in Form von Fortbildungen zum Umgang mit der Störung. Darüber hinaus kann es helfen, dem Kind bestimmte Lernbedingungen zu ermöglichen, zum Beispiel einen Platz im Klassenraum mit wenig Ablenkung. Auch kurze Unterbrechungen des Unterrichts durch körperliche Übungen können die Konzentration verbessern.
Verhaltenstherapie
Bei Kindern mit AHDS kann eine Verhaltenstherapie dabei helfen, bestimmte Verhaltensweisen zu verändern. Die Verhaltenstherapie zur Behandlung von ADHS umfasst kognitive Methoden und setzt sich in der Regel aus verschiedenen Techniken zusammen. Dabei lernen Kinder zum Beispiel, sich selbst zu organisieren und ihnen auferlegte Aufgaben überlegt umzusetzen. Eine Verhaltenstherapie kann in Einzelsitzungen mit einem Psychotherapeuten bzw. einer Psychotherapeutin und dem Kind erfolgen, sie kann aber auch im Rahmen der Elternschulung stattfinden – dann lernen Eltern gezielt, wie sie ihren Kindern dabei helfen, aufmerksamer oder weniger hyperaktiv zu sein.
Medikamente
Wenn ADHS stark ausgeprägt ist, können neben pädagogischen und psychotherapeutischen Maßnahmen Medikamente die Symptome lindern. Allerdings können sie nicht die Ursachen beheben.
Wirkstoff der ersten Wahl ist Methylphenidat. Methylphenidat bewirkt, dass die Konzentration der Nervenbotenstoffe Dopamin und Noradrenalin im Gehirn steigt. Dopamin und Noradrenalin sind für die Signalübertragung zwischen den Nervenzellen verantwortlich und unterstützen das Gehirn unter anderem dabei, äußere Reize zu filtern. Medikamente zur Behandlung von ADHS sind für Kinder ab 6 Jahren zugelassen. Sie wirken außerdem nicht bei allen Kindern und nicht längerfristig über die Einnahmezeit hinaus. Weitere Wirkstoffe sind Lisdexamfetamin oder Atomoxetin.
Behandlung Erwachsener
Entspannungstechniken, der Austausch mit anderen Betroffenen oder Sport sind hilfreich beim Umgang mit ADHS-Symptomen.
Wenn Erwachsene mit ADHS darüber hinaus Unterstützung suchen, gelten ähnliche Behandlungstipps wie für Kinder: Verhaltenstherapie oder ADHS-Medikamente. Meist kommt der Wirkstoff Methylphenidat zum Einsatz.
ADHS kurz zusammengefasst
- ADHS zeigt sich in Symptomen wie motorischer Unruhe, Impulsivität und Konzentrationsproblemen, die sich je nach Alter unterschiedlich äußern.
- Etwa 30 Prozent der Betroffenen leiden auch im Erwachsenenalter an ADHS. Bei anderen bildet sich die Störung im Jugendalter zurück oder die Symptome nehmen mit zunehmendem Alter ab.
- Als Ursachen werden genetische Veranlagungen gesehen, ebenso wie Umweltfaktoren oder negative Kindheitserfahrungen.
- Eine individuelle Behandlung ist zentral und umfasst Elternschulung, Unterstützung in Schule/Kindergarten, Verhaltenstherapie und ggf. Medikamente. Medikamente können Symptome lindern, aber nicht die Ursache beheben.
- Erwachsene profitieren von Entspannungstechniken, Verhaltenstherapie, Austausch mit Betroffenen und Sport. Medikamente wie Methylphenidat oder Atomoxetin kommen bei ausgeprägter Symptomatik zum Einsatz.
zuletzt aktualisiert: 17.03.2025
Quellen