20.01.2015
Herr van Kampen, wovor müssen die Deutschen in Zukunft am meisten Angst haben?
UvK: Die Deutschen müssen am meisten Angst davor haben, dass die EU und der Euro auseinander brechen. Deutschland profitiert sowohl durch den Euro als auch durch den Binnenmarkt am meisten von der EU. Das wird von vielen Bürgern nicht richtig wahrgenommen. Deutschland sollte sich hüten in Brüssel zu dominant aufzutreten. Die Angst vor einem übermächtigen Deutschland ist bei einigen Mitgliedsländern immer noch unterschwellig vorhanden.
Wie sieht die nahe Zukunft von Europa aus?
UvK: Das wird ein unruhiges Jahr für Europa. Die Eurokrise ist noch nicht vorbei. Außenpolitische Konflikte nehmen eher zu als ab. Und es gibt noch keine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik in Deutschland. Das ist ein großes Versäumnis. Hier hat Europa einen riesigen Nachholbedarf.
Rechnen Sie in Europa eher mit einer Inflation oder einer Deflation?
UvK: Ich bin kein Wissenschaftler, aber ich sehe die von der EZB postulierte Deflation und daraus resultierende wirtschaftliche Rezession nicht. Meine Kritik an der derzeitigen Politik der EZB: Die Zinsen sind schon bei null. Die jetzt angekündigten Maßnahmen – massiver Aufkauf von Staatsanleihen – ist ihr letzter Schuss. Der muss sitzen und kommt aus meiner Sicht zu früh.
Was wird mit Griechenland passieren?
UvK: Griechenland wird in der Euro-Zone bleiben, aber es wird uns alle Geld kosten. Aber es geht ja in der EU nicht nur um monetäre Fragen. Ein Ausscheiden Griechenlands wäre ein Verstoß gegen die Solidarität in Europa - gegen die europäische Idee. Deshalb muss Griechenland in der EU bleiben, aber Geld aus dem Topf der EU sollte es nur gegen Reformen geben. Das darf sich nicht ändern.
Sie waren lange in Brüssel und den USA. Was sind die wichtigsten Unterschiede?
UvK: Die kulturellen Unterschiede sind enorm. Ich selbst bin sowohl Europäer als auch Transatlantiker. Europa sollte aus meiner Sicht ruhig mehr Selbstbewusstsein gegenüber den Amerikanern zeigen - sowohl in der Wirtschafts- wie in der Außenpolitik.
Eine letzte und persönliche Frage, die Sie mir aus der Sicht eines Gesundheitsmediums erlauben: Sie sind jetzt 65 Jahre alt, machen aber mit der Berufstätigkeit noch nicht Schluss – was hält Sie so fit?
UvK: Ich fahre viel Fahrrad. Doch das wichtigste: Ich habe Freude an der Arbeit. Als Journalist kommt man mit vielen Menschen zusammen, täglich wechseln die Themen. Journalist ist für mich der schönste Beruf der Welt.
Herr van Kampen, danke für das Gespräch!
Die Fragen stellte Chefredakteurin Jutta Petersen-Lehmann.