"Ich bin völlig am Ende. Ich habe einen richtigen Zusammenbruch erlitten, ich kann einfach nicht mehr!" So beschrieb eine sehr engagierte Grundschullehrerin, wie ihr private und berufliche Überforderungen zugesetzt haben. Ihre Diagnose: Burn-out.
Diese Leiden dürfe man keinesfalls als "Renten-Neurose" abwerten, also als Flucht aus der Arbeit in die Frührente, betonte Professor Dr. Dr. Dr. Felix Tretter. Der Mediziner ist Bereichsleiter des Kompetenzzentrums Sucht
am Isar-Amper-Klinikum, Klinikum München Ost. Zwar sei der Burn-out keine klar abgegrenzte Diagnose, erläuterte Tretter auf dem 10. Suchtforum in München, dennoch müsse man schon die Frühstadien dieses arbeitsbezogenen Erschöpfungszustandes erkennen. Aus guten Gründen: Ein Burn-out-Syndrom mache krank und gebe den Hintergrund für viele Suchtprobleme ab.
Risiko Arzneimittel-Missbrauch
Die Suchtproblematik betrifft neben Alkohol, Tabak und illegalen Drogen auch den Missbrauch von Arzneimitteln. "Missbrauch heißt, dass die Medikamente nicht bestimmungsgemäß verwendet werden, was im schlimmsten Fall zu einer Arzneimittel-Abhängigkeit führen kann", warnte Apotheker Ulrich Koczian, Vizepräsident der Bayerischen Landesapothekerkammer, bei einem Pressegespräch im Rahmen des Suchtforums. "Man hat dann gleich mehrere Probleme: Zum einen ist das Burn-out-Syndrom nicht behandelt, und es liegt eine Abhängigkeit von Arzneimitteln vor, die sich ebenso wie der Burn-out nicht von heute auf morgen beseitigen lässt."
Für alles eine Pille
Der Missbrauch entsteht, wenn Menschen über längere Zeit aufputschende Mittel am Tage nehmen, um sich hohen Leistungsansprüchen halbwegs gewachsen zu fühlen. Abends brauchen sie dann beruhigend wirkende Substanzen, um sich regelrecht wieder herunterzukühlen. Koczian: "Es sind meist simple Aufputschmittel, beispielsweise hoch dosierte Koffeinpräparate, die Betroffene in der Apotheke verlangen. Und sie bekommen zum Teil vom Arzt Schlafmittel verordnet, weil sie über Schlafstörungen klagen. Allerdings sind Schlafmittel prinzipiell nur für den kurzfristigen Gebrauch gedacht. Wenn man als Apotheker sieht, dass Menschen solche Mittel regelmäßig nehmen, muss man vor allem bei relativ jungen Patienten schon fragen: Ist es wirklich hilfreich für Sie, weiter diese Präparate zu nehmen? Oder steckt vielleicht eine andere Ursache dahinter, die besser behandelt werden könnte?"
Oftmals tragen Burn-out-Patienten in der Apotheke keine eindeutigen Symptome vor, berichtet Koczian: "Kopfschmerzen, die man sich nicht erklären kann, Abgeschlagenheit, unter Umständen Probleme mit der Motivation oder unspezifische psychische Probleme, die man keinem bestimmten Krankheitsbild zuordnen kann. Nachfragen ergeben dann häufig, dass es sich um eine Arbeitsüberlastung handeln könnte. Dann hilft keine Selbstmedikation mehr. Es ist wichtig, dass der Patient dies erfährt und sich ärztlich behandeln lässt." Damit Ursachen und nicht nur Symptome kuriert werden.
Gerade wenn Menschen eine Stammapotheke haben, kennt der Apotheker sie gut und weiß, welche Beschwerden sie haben und welche Arzneimittel sie erwerben. Koczian: "Der Patient kann so besser betreut werden. Der Apotheker kann Gefahren früher erkennen, Ratschläge geben, über Selbsthilfegruppen informieren, einen Arztbesuch nahelegen."
Ärztliche und psychologische Hilfe
Besteht der Verdacht auf Burn-out, empfiehlt sich für die Betroffenen eine gute ärztliche und vor allem psychologische Betreuung. Im Zweifel hilft ein stationärer Aufenthalt etwa in einer Klinik für Psychosomatik. Dort regenerieren sich die Patienten körperlich und lernen, Zeichen einer körperlichen sowie seelischen Überforderung besser wahrzunehmen. Sie lernen zudem, sich besser abzugrenzen, überzogene Leistungsansprüche abzuwehren und familiäre Konflikte zu klären. So konnte auch die eingangs erwähnte Grundschullehrerin genesen und ohne Angst vor Überforderung wieder in ihrem Beruf arbeiten.
Dr. Frank Schäfer
Burnout: Behandlung
Da Burnout bislang nicht als eigenständiges Krankheitsbild anerkannt ist, gibt es keine eindeutige Empfehlung für die Behandlung des „Ausgebranntseins“. Das Wichtigste bei einem Burnout ist jedoch die Voraussetzung, dass Sie sich selbst eingestehen, dass Handlungsbedarf besteht. Da die Entwicklung hin zum Burnout als subjektive Reaktion auf die Anforderungen am Arbeitsplatz gilt, sollte die Behandlung individuell auf Sie und Ihre Lebenssituation zugeschnitten sein.
Stressauslöser identifizieren und Stresssymptome vermeiden
Bei einem Burnout in der Anfangsphase kann es manchmal zur Behandlung schon reichen, Stressauslöser zu identifizieren und zu vermeiden. Auch gilt es, Ansprüche und Erwartungen an sich selbst und den Arbeitsplatz zu überprüfen und gegebenenfalls herunterzuschrauben, um Stresssymptome bei Burnout in den Griff zu bekommen. Wichtig dabei ist, sich klarzumachen, dass Sie nicht immer alles perfekt machen und nicht jeden zufriedenstellen können. Gestehen Sie sich zu, Fehler zu machen und Schwäche zu zeigen. Prüfen Sie, ob Sie arbeiten delegieren können und geben Sie auch mal die Verantwortung an andere ab.
Die Situation am Arbeitsplatz überprüfen
Die Entwicklung eines Burnout-Syndroms ist an die Situation am Arbeitsplatz geknüpft. Ein weiterer Schritt zur Behandlung von Burnout kann deshalb beinhalten, Änderungen am Arbeitsplatz vorzunehmen. So kann es zum Beispiel hilfreich sein, die Arbeitszeiten, die Arbeitsmenge und die Arbeitsorganisation auf Verbesserungsmöglichkeiten zu überprüfen. Auch Fortbildungen in den Bereichen Stressmanagement, Zeitmanagement, Problemlöse-Kompetenz, Konfliktbewältigung oder Entwicklung der persönlichen Widerstandskraft können sinnvoll sein, um Resignation, fehlender Arbeitszufriedenheit und erhöhter Stressanfälligkeit entgegenzuwirken beziehungsweise besser damit umzugehen.
Ausgleich schaffen
Wer mit seiner Arbeit unzufrieden ist und sich ausgebrannt fühlt, sollte versuchen, trotz Erschöpfung und Müdigkeit einen Ausgleich zu schaffen – zum Beispiel, indem er Aktivitäten plant, die ihm Freude bereiten und ihn auf andere Gedanken bringen. Dies können Sport oder andere Unternehmungen, wie Konzert- oder Kinobesuche, sein. Dazu gehört aber auch das Zusammensein mit Freunden oder der Familie. Soziale Kontakte stärken das Selbstwertgefühl und vermitteln das Gefühl von Zusammenhalt und Unterstützung.
Ruhepausen und Entspannung
Typische Anzeichen für ein Burnout-Syndrom sind das Gefühl von Überforderung, Niedergeschlagenheit und/oder Erschöpfung. Zur Behandlung ist es wichtig, sich immer wieder Ruhepausen zu gönnen und für Entspannung zu sorgen. Dabei können Entspannungstechniken wie zum Beispiel Qigong oder Progressive Muskelentspannung helfen.
Psychotherapeutische Hilfe
Mitunter kann es bei einem Burnout-Syndrom sinnvoll sein, für die Behandlung professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. So kann es zum Beispiel im Rahmen einer Verhaltenstherapie gelingen, negative Handlungsmuster oder Einstellungen zu identifizieren und gezielt zu verändern. Auch Unterstützung zur Problemlösung und Mobilisierung von eigenen Ressourcen können Gegenstand einer psychotherapeutischen Behandlung sein. Ein Burnout-Syndrom kann das Risiko erhöhen, eine Depression zu entwickeln. Bei ausgeprägten Beschwerden und einer gleichzeitig bestehenden Depression, kann der kurzfristige Einsatz von Antidepressiva in Erwägung gezogen werden.
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Letzte Aktualisierung: Januar 2017