22.11.2016
Wenn es um Rückenschmerzen geht, ist jeder Zweite (52 Prozent) überzeugt davon, dass man immer einen Arzt aufsuchen muss. Und mehr als zwei von drei Personen (69 Prozent) sind der Meinung, dass der Arzt durch Röntgen-, Computertomografie- (CT) und Magnetresonanztomographie-Aufnahmen (MRT) die genaue Ursache des Schmerzes findet. Ein Trugschluss: Ärzte können gerade einmal bei höchstens 15 Prozent der Betroffenen eine spezifische Ursache für den Schmerz feststellen. Die meisten Bilder verbessern also weder Diagnose noch Behandlung von Rückenschmerzen. Zu diesem Schluss kommt die Studie Faktencheck Rücken der Bertelsmann Stiftung.
Die falschen Erwartungen der Patienten rücken Ärzte häufig nicht zurecht. Dadurch kommt es zu unnötig vielen Bildaufnahmen: Allein 2015 haben Ärzte über sechs Millionen Röntgen-, CT- und MRT-Aufnahmen vom Rücken veranlasst. „Oft werden die Befunde der Bildgebung überbewertet. Dies führt zu unnötigen weiteren Untersuchungen und Behandlungen, zur Verunsicherung des Patienten und kann sogar zur Chronifizierung der Beschwerden beitragen", so Prof. Dr. Jean-Francois Chenot von der Universität Greifswald. Fakt sei: 85 Prozent der akuten Rückenschmerzen gelten als medizinisch unkompliziert. Ärztliche Leitlinien empfehlen bei Rückenschmerzen ohne Hinweise auf gefährliche Verläufe, körperliche Aktivitäten so weit wie möglich beizubehalten, Bettruhe zu vermeiden und keine bildgebende Diagnostik durchzuführen. Ärzte weichen von diesen wissenschaftlichen Empfehlungen jedoch häufig ab. So wird 43 Prozent der Betroffenen Ruhe und Schonung empfohlen. Zudem verstärken Ärzte oft das Krankheitsgefühl der Betroffenen, anstatt sie zu beruhigen. 47 Prozent der Betroffenen wird vermittelt, dass der Rücken "kaputt" oder "verschlissen" sei.
Internationale Beispiele zeigen, dass es mehrere Möglichkeiten gibt, unnötige und im Zweifelsfall gesundheitsschädliche Aufnahmen zu reduzieren: In Teilen Kanadas erhalten Ärzte beispielsweise seit 2012 keine Vergütung mehr, wenn sich herausstellt, dass Bildaufnahmen veranlasst wurden, obwohl kein gefährlicher Verlauf der Rückenschmerzen erkennbar war. In den Niederlanden setzt man auf striktere Zugangsbeschränkungen zu Röntgen-, CT- und MRT-Geräten.
Bertelsmann Stiftung/NK