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05.03.2025 10:28 Uhr
Ein Forschungsteam des Karolinska-Instituts in Stockholm analysierte die Daten von 18.740 Demenzpatienten, die zwischen 2007 und 2018 in einem schwedischen Demenzregister erfasst wurden. Untersucht wurden Patienten, die nach ihrer Diagnose erstmals Antidepressiva verordnet bekamen. Dabei zeigte sich, dass die geistige Leistungsfähigkeit bei diesen Patienten schneller abnahm als bei jenen ohne Antidepressiva. Besonders deutlich war dieser Effekt bei den Wirkstoffen Escitalopram und Citalopram, während Sertralin und Mirtazapin mit einem schwächeren Rückgang verbunden waren.
Trotz dieser Beobachtungen bleiben viele Fragen offen. Die Forscher betonen, dass der Unterschied in den Testergebnissen relativ gering war – im Schnitt verschlechterte sich der Mini-Mental-Status-Test (MMSE) um 0,30 Punkte pro Jahr schneller als bei Patienten ohne Antidepressiva. Erst ab einem Punktverlust von 1 bis 3 Zählern gilt der Rückgang als klinisch bedeutsam.
Zudem ist unklar, ob die Medikamente tatsächlich die Ursache für die schnellere Verschlechterung sind oder ob der Zusammenhang eher darauf zurückzuführen ist, dass gerade schwerere Fälle von Demenz häufiger Antidepressiva erhalten.
Kein eindeutiger Beweis für schädlichen Effekt
Experten sind sich uneinig darüber, wie diese Ergebnisse zu bewerten sind. Dr. Klaus P. Ebmeier, Professor für Alterspsychiatrie an der Universität Oxford, gibt zu bedenken, dass es keine überzeugenden Beweise dafür gibt, dass Antidepressiva den geistigen Abbau beschleunigen. Vielmehr könnten diese Medikamente dabei helfen, depressive Verstimmungen zu lindern und dadurch sogar das Denkvermögen stabilisieren.
Er verweist darauf, dass viele Demenzpatienten mit zunehmender Krankheitsdauer unter schweren Verhaltensauffälligkeiten wie Aggression oder starker Unruhe leiden. In diesen Fällen würden „aus der Not heraus“ häufig Antidepressiva eingesetzt – weil es schlicht an besseren Behandlungsmöglichkeiten fehlt.
Für Patienten und Angehörige bedeutet das: Der Einsatz von Antidepressiva sollte gut überlegt und individuell mit dem Arzt besprochen werden. Gerade bei starken Verhaltensauffälligkeiten oder Depressionen kann der Nutzen einer medikamentösen Therapie dennoch überwiegen.
Quelle: DOI 10.1186/s12916-025-03851-3