ArzneimittelGesundheit

Fast jeder zweite Deutsche denkt, Antibiotika helfen gegen Viren

JB  |  28.11.2022

Der unkritische Einsatz von Antibiotika kann weitreichende Folgen haben. Europaweite Befragungen haben ergeben, dass viele Menschen nicht über den richtigen Einsatz von Antibiotika Bescheid wissen.

Frau schaut sich die Packung eines Mediaments an.
Das Wissen um Antibiotika ist bei vielen Menschen noch ausbaufähig.
© IStock.com/Jelena Stanojkovic

2021 erreichte der Antibiotikagebrauch in Europa einen neuen Tiefstand. Nur 23 Prozent der Befragten in Europa gaben an, innerhalb des letzten Jahres Antibiotika eingenommen zu haben. In Deutschland waren es sogar nur 15 Prozent, wie eine aktuelle Europabarometer-Befragung des European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) zeigt. Welche Folgen der unkritische Einsatz von Antibiotika haben kann, wissen die meisten jedoch nicht. Die Befragung zeigt auch: Nur wenige Menschen ist bewusst, wie man Antibiotika richtig anwendet.

So denken zum Beispiel 45 Prozent der Deutschen, dass Antibiotika bei Viruserkrankungen helfen. Dem ist nicht so. Antibiotika wirken nur dann, wenn Bakterien an einer Infektion beteiligt sind. Erkältungskrankheiten werden aber in aller Regel durch Viren verursacht. Trotzdem gaben 14 Prozent der Befragten an, Antibiotika gegen eine Erkältung eingenommen zu haben. 11 Prozent nahmen Antibiotika bei einer Grippe ein, die ebenfalls durch Viren verursacht wird. Das häufigste Einsatzgebiet sind die Harnwegsinfekte. Hier ist die antibiotische Therapie meist sinnvoll, da in der Regel Bakterien Blasenentzündungen verursachen.

Viele Unsicherheiten bei der Einnahme

Die Befragung zeigt außerdem: Nur 24 Prozent der Deutschen wurden im letzten Jahr darüber aufgeklärt, wann eine Antibiotikaeinnahme vonnöten ist. Große Unsicherheit herrscht auch im Umgang mit Antibiotika. So denken 12 Prozent der Deutschen, dass man die Tabletten selbstständig absetzen kann, wenn es einem besser geht. Das stimmt nicht, denn das Antibiotikum muss immer so lange genommen werden, wie der Arzt es verordnet hat, oder bis die Packung leer ist. Mindestens aber 2 Tage länger, als die Symptome anhalten.

Bakterien werden gegen Antibiotika immun

Dass der unkritische Einsatz von Antibiotika langfristig zu einem Verlust der Wirksamkeit führt, wussten zumindest 83 Prozent der Befragten. Hier spricht man von der sogenannten „Resistenzentwicklung“. Sind Bakterien wiederholt einem Antibiotikum ausgesetzt, entwickeln sie Strategien, um den Effekt abzumildern oder ganz zu umgehen. Dies verstärkt sich, wenn die Bakterien über längeren Zeitraum „subletalen Dosen“ ausgesetzt sind. Also einer Konzentration des Antibiotikums, die den Bakterien zwar schadet, sie jedoch nicht abtötet. So haben die Bakterien ausreichend Zeit, um zu lernen, wie sie die tödlichen Mechanismen des Antibiotikums umgehen können. Diese subletalen Konzentrationen entstehen oft dann, wenn das Antibiotikum nicht wie verordnet eingenommen wird, zum Beispiel, wenn man eine Dosis vergisst oder die Therapie zu früh abbricht. Aber auch hohe Verordnungszahlen begünstigen die Resistenzentwicklung – gerade dann, wenn wie bei einer Viruserkrankung gar kein Bakterium beteiligt ist und die Einnahme des Antibiotikums unnötig ist.

In unserem Körper befinden sich zudem viele, meist gutartige Bakterien.  Auch diesen schadet das Antibiotikum. Deshalb ist es so wichtig, die Einnahme von Antibiotika kritisch zu hinterfragen und die Medikamente nur einzunehmen, wenn es medizinisch notwendig ist. Man geht davon aus, dass allein in Europa, Island und Norwegen jedes Jahr 35.000 Menschen aufgrund von Infektionen mit multiresistenten Keimen versterben. Als multiresistent bezeichnet man Bakterien, wenn sie gegen die meisten gängigen Antibiotika immun sind.

Quelle: Data on antimicrobial resistance (AMR): use of antibiotics in the EU decreases but more needs to be done

 

 

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