Hanke Huber
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01.08.2021
Unsere Haut ist recht vielschichtig. So gibt es die Oberhaut mit der ziemlich undurchlässigen Hornhaut als äußerster Barriere, die mit der Außenwelt in Berührung kommt. Durch sie hindurch ziehen unter anderem Schweißdrüsengänge und Haare. In der darunterliegenden Lederhaut finden sich reichlich Sinneszellen, die Sensoren der Haut. Ihre Meldesignale werden als elektrische Reize über Nervenfasern an das Zentrale Nervensystem weitergeleitet. "Prinzipiell gibt es zwei verschiedene Fasertypen, die Berührungen erkennen", sagt Professor Dr. Ilona Croy vom Fachbereich Klinische Psychologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena. "Dem, was man landläufig als Tastsinn bezeichnet, liegen sogenannte A-Beta-Fasern zugrunde." Diese Nervenfasern leiten Informationen mit hoher Geschwindigkeit zum Gehirn und sind fein ausziseliert. "Wir haben sie zum Beispiel mit einer sehr hohen Dichte in den Fingerkuppen. Sie spielen unter anderem eine Rolle, wenn wir in einer Tasche nach einem Schlüssel suchen", verdeutlicht Croy. Da muss man sich schon gut auf den feinen Tastsinn der Fingerkuppen verlassen können.
Unzählige auf mechanische Reize reagierende Sensoren in der Unterhaut, am Ende der A-Beta-Fasern, geben Aufschluss darüber, wie etwas unsere Haut berührt. Sogenannte Meissner-Körperchen registrieren, wie schnell die Haut eingedrückt wird, Ruffini-Körperchen nehmen die Dehnung der Haut wahr, Merkelzell-Rezeptoren reagieren auf anhaltende Berührungen, Vater- Pacini-Zellen auf Vibration. Anders sieht es bei der zweiten Art von Berührungsfasern aus – den sogenannten C-taktilen Fasern. Diese kennt man erst seit etwa 20 Jahren. Ihre freien Enden reagieren weniger darauf, wie sich Gegenstände anfühlen, sondern vielmehr auf langsames Streicheln. Langsam ist auch die Reizleitung dieser Fasern: Sie beträgt nur etwa ein Fünfzigstel der Geschwindigkeit von A-Beta-Fasern. "C-taktile Fasern springen immer dann an, wenn wir von einem anderen Menschen berührt werden, wenn uns jemand liebkost oder wenn wir unsere Kinder tragen", verdeutlicht Croy. Und es gibt sogar ein optimales Streichel-Tempo: Bei ein bis drei Zentimetern pro Sekunde reagieren diese Fasern am besten. "Außerdem besitzen sie eine gewisse Temperatursensitivität. Sie reagieren besonders gut auf Streicheln bei 32 Grad Celsius – das entspricht in etwa der Oberflächentemperatur der Haut",so die Psychologin.
Der Streichelsinn
Was passiert als nächstes? Die Nervenfasern "feuern". Das heißt, sie leiten elektrische Nervenimpulse zunächst zum Rückenmark, dem zentralen "Kabelkanal" entlang der Wirbelsäule. Über ihn laufen Signale vom und zum Gehirn. Auch die Reize von Hautsensoren werden dort umgeschaltet und in unterschiedliche Hirnbereiche geleitet, unter anderem zum Belohnungszentrum. Croy: "Wenn wir von jemandem berührt werden, den wir mögen, gibt uns das automatisch ein gutes Gefühl." Gleichzeitig sinkt die Frequenz des Herzschlages und wird variabler. Letztlich bedeute es, dass wir uns beruhigen, bringt es die Psychologin auf den Punkt. Was Eltern ganz intuitiv tun, wenn ein Baby schreit, hilft auch bei Stress. "Wir wissen, dass langsames Streicheln wie auch Berührung generell in sozial stressigen Situationen zu einer Beruhigung führen", erläutert die Psychologin. Es funktioniere bei Angst, unter Stress oder bei Nervosität. Eine Alltagsbeobachtung, die auch durch Studien gut belegt sei. "Deshalb ist das Ganze auch als sozialer Berührungssinn bezeichnet worden", so Croy. Gestreichelt zu werden, signalisiert demnach nicht nur "ich bin bei dir, du musst da nicht allein durch", sondern hilft auch, körperlich zu entspannen. Die dafür wichtigen C-taktilen Nervenfasern finden sich überall dort, wo wir behaarte Haut haben – und die gibt es fast am ganzen Körper. Eine Ausnahme bilden Hand- und Fußflächen. Das bedeutet: "In den Fingerkuppen gibt es überhaupt keine C-taktilen Fasern."
Das Schmerzempfinden
Schnell leitende Nervenfasern, vor allem aber auch langsame C-Fasern mit freien Nervenenden in der Haut spielen im Übrigen auch bei der Schmerzwahrnehmung eine Rolle. Ein Sinneseindruck, auf den die meisten wohl lieber verzichten möchten, den man aber für das Überleben braucht: Akuter Schmerz hat eine Schutzfunktion. Er warnt vor Gefahren und Verletzungen, die von gewebeschädigenden Reizen ausgehen wie zu großer Hitze oder zu hohem Druck. "Der typische Schmerzrezeptor, den man kennt, läuft über die langsamen C-Fasern", sagt Croy. Er sorgt eher für späten, dumpfen Schmerz, anders als schneller leitende Nervenfasern, die den ersten, starken, hellen Schmerz etwa bei einer Verletzung erzeugen. Früher habe man angenommen, dass die C-Fasern nur dazu da seien, Schmerzen und Temperatur zu vermitteln. Inzwischen aber sei bekannt, dass die C-taktilen "Streichel"-Fasern quasi eine Untergruppe darstellen. "Deshalb geht man jetzt davon aus, dass sich diese C-Fasern im Laufe der Evolution aufgespalten haben und jetzt verschiedene Funktionen erfüllen. Manche reagieren auf Streicheln, manche auf Schmerz, und dann gibt es welche, die sind tatsächlich fürs Kitzeln reaktiv", so Croy. Zusätzlich zu der körperlichen Komponente wird das Schmerzempfinden allerdings auch sehr stark von anderen Faktoren beeinflusst. Die eigene Erwartungshaltung etwa spielt hier mit hinein, Angst oder Depressionen ebenfalls. So kann sich die Schwelle, ab der man zum Beispiel einen Hautreiz als schmerzhaft empfindet, verschieben. Der empfundene Schmerz muss daher nicht mit dem tatsächlichen Ausmaß des Gewebeschadens übereinstimmen. Umgekehrt gibt es Mechanismen, die die Wahrnehmung von Schmerzen unterdrücken. Das kann man auch in der Schmerztherapie nutzen.