Natascha Koch
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01.12.2021
Das HI-Virus hat hierzulande für viele seinen Schrecken verloren. Die Zahl der neuen Infektionen ist rückläufig, und mit Medikamenten lässt sich die Krankheit inzwischen gut kontrollieren. Vor nicht allzu langer Zeit sah das noch anders aus.
Die neue Seuche der 1980er
Als Ärzte HIV in den frühen 1980er-Jahren entdeckten, gab es noch keine Therapie. Wer sich ansteckte, erkrankte einige Jahre später am erworbenen Immundefizienz-Syndrom, englisch "Acquired Immune Deficiency Syndrome", kurz: Aids. In diesem Krankheitsstadium verfügt das Immunsystem über fast keine Helferzellen mehr, die Erreger bekämpfen. So kann sich aus einer harmlosen Erkältung schnell eine Lungenentzündung entwickeln, die tödlich endet.
Trotz zahlreicher Studien haben Mediziner bislang keine Möglichkeit gefunden, Menschen mit HIV zu heilen. Mittlerweile gibt es aber wirksame Medikamente, die das Virus im Körper so weit unterdrücken, dass es sich im Blut nicht mehr nachweisen lässt und Aids gar nicht erst ausbricht. Im Gegensatz zu früher hat diese Therapie heute nur noch geringe Nebenwirkungen.
"Mit HIV kann man heute bei rechtzeitiger Diagnose leben wie alle anderen Menschen", sagt Sylvia Urban vom Vorstand der Deutschen Aidshilfe. Allerdings nur, wenn der Patient Zugang zu den lebensrettenden Medikamenten hat. Beides – frühe Diagnose und Therapie – ist vor allem in sogenannten Dritte-Welt-Ländern ein Problem. Aber auch in Deutschland leben Menschen mit HIV, ohne davon zu wissen. Damit gefährden sie nicht nur ihre eigene Gesundheit, sondern geben das Virus unter Umständen unbeabsichtigt an andere Personen weiter.
Testangebote zeigen Erfolge
"Erfreulicherweise zeigen Kampagnen und neue Testangebote offenbar Wirkung", sagt Urban. So besteht etwa seit Herbst 2018 die Möglichkeit, zum Beispiel in Apotheken einen HIV-Selbsttest für zu Hause zu kaufen. Zwölf Wochen nach der letzten möglichen Übertragung lässt sich damit eine HIV-Infektion zuverlässig ausschließen. Den Test zu Hause durchführen zu können, senkt Urban zufolge die Hemmschwelle. Viele Menschen scheuen sich aus Angst vor Vorurteilen oder Diskriminierung, in einer Arztpraxis, im Gesundheitsamt oder einem Checkpoint der Aidshilfe danach zu fragen. Denn auch wenn man mit HIV ein fast normales Leben führen kann: Das Stigma existiert auch heute noch.
Medikamente unterdrücken das Virus
Nach einer positiven Diagnose zögerten viele Ärzte früher den Start der Therapie wegen der zum Teil starken Nebenwirkungen noch hinaus. Seit 2015 empfehlen die Leitlinien, umgehend mit einer Therapie zu beginnen. Dabei kommen mehrere Medikamente gleichzeitig zum Einsatz, um die Vermehrung des Virus im Körper auf unterschiedliche Art und Weise bremsen.
Die klassische Therapie kombiniert in der Regel drei Wirkstoffe miteinander. Welche Medikamente infrage kommen, hängt unter anderem davon ab, in welchem Stadium der Patient seine Diagnose erhalten hat, ob noch weitere Erkrankungen bestehen und in welcher Lebenssituation er sich befindet. Ganz wichtig: Der Patient muss die verordneten Medikamente regelmäßig einnehmen. Werden die Tabletten vergessen oder weggelassen, können sich die Viren sehr schnell wieder vermehren.
Hierzulande erhalten 93 Prozent aller diagnostizierten Patienten HIV-Medikamente. Bei 95 Prozent hat die Therapie Erfolg. Bei ihnen ist die Zahl der
HI-Viren im Blut so gering, dass die Infektion nicht mehr nachweisbar ist und sie andere Personen nicht mehr anstecken können. Im Vergleich mit anderen Ländern schneidet Deutschland damit sehr gut ab: Weltweit haben laut Zahlen des Robert Koch-Instituts nur 61,5 Prozent der Betroffenen Zugang zu diesen Medikamenten.
HIV wird durch den Austausch von Körperflüssigkeiten übertragen. Das höchste Risiko besteht bei ungeschütztem Geschlechtsverkehr oder beim Drogenkonsum durch das gemeinsame Benutzen von Spritzen und Nadeln. Kondome und Femidome schützen vor einer Ansteckung beim Sex und sorgen
dafür, dass die Viren nicht auf Schleimhäute und in den Körper gelangen.
Neue Methode zur Prävention
Eine relativ neue Methode zum Schutz vor HIV: Die Einnahme von Medikamenten. Bei der sogenannten PrEP (kurz für "Prä-Expositions-Prophylaxe") nimmt man vorbeugend HIV-Medikamente ein, die vor einer Ansteckung schützen. Seit Herbst 2019 zählt diese Prophylaxe zu den Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen; bei Menschen mit erhöhtem HIV-Risiko übernehmen sie die Kosten für das Medikament. Im Gegensatz zu Kondomen und Femidomen schützt diese Methode jedoch nicht vor anderen sexuell übertragbaren Krankheiten.