16.08.2011
"Das körpereigene Abwehrsystem muss einerseits auf einen Angriff durch Krankheitserreger sehr schnell reagieren können, etwa wenn die nächste Sommergrippe droht", berichtet Professor Dr. Joachim Schultze, Direktor Genomforschung und Immunregulation am Institut Life and Medical Sciences (LIMES) der Universität Bonn. Andererseits darf die Abwehrreaktion aber auch nicht zu heftig sein, weil sonst das körpereigene Gewebe angegriffen wird. Sogenannte Autoimmunerkrankungen sind dann die Folge.
Im Zentrum dieses Wechselspiels stehen bestimmte weiße Blutkörperchen, T-Lymphozyten genannt. Wie Polizisten gehen sie im Körper ständig auf Streife und überwachen, ob es an den Körperzellen zu krankhaften Veränderungen kommt. Ist das der Fall, verwandeln sie sich in Killerzellen und zerstören die erkrankten Zellen. Wenn die körpereigenen Streifenpolizisten zu aktiv sind, greifen die sogenannten regulatorischen T-Zellen bremsend ein. Ob die T-Zellen als Killerzellen oder als bremsende Zellen unterwegs sind, bestimmt ein Eiweiß namens SATB1. "SATB1 wird in den Abwehrzellen hochgefahren, um eine Immunantwort zu ermöglichen", führt Schultze aus. Die regulatorischen T-Zellen als "Bremser" haben dagegen das SATB1 abgeschaltet.
Diese Erkenntnis ist sehr wichtig für das Verständnis und die Therapie von Krankheiten. "Tumore können sich entwickeln, weil das Immunsystem von den Krebszellen gehemmt wird", berichtet der Immunologe. Mit SATB1 lassen sich die bremsenden regulatorischen T-Zellen in Angreifer umprogrammieren, die dann die Krebsgeschwüre abtöten. "Umgekehrt ist bei chronischen Entzündungen die Immunantwort dauerhaft zu stark", sagt Schultze. Die hochgeschaukelte Abwehrreaktion ließe sich also durch Abschalten von SATB1 auf ein normales Maß herunterregeln. Die Forscher zeigten an Mäusen, dass dies grundsätzlich möglich ist.
Während der Immuntherapie von Tumorerkrankungen wird üblicherweise versucht, zuerst das fehlprogrammierte Abwehrsystem komplett auszuschalten, damit anschließend aus dem Knochenmark neue Abwehrzellen entstehen können. Dies funktioniert aber bei vielen Patienten im höheren Alter nicht mehr so gut. "Mit SATB1 könnten bereits vorhandene hemmende T-Zellen in angreifende umgewandelt werden, die die Tumore bekämpfen", schlägt der Immunologe vor. Bis zu einer solchen Therapie sei es aber noch ein weiter Weg.
IV/RF