BerufGesundheit

Stressbewältigung statt Chemie

09.09.2011

Die Anforderungen am Arbeitsplatz steigen - und wachsen manchem über den Kopf. Um "besser funktionieren" zu können, nehmen Hunderttausende Arbeitnehmer verschreibungspflichtige Psycho- und Neuropharmaka ein. Es gibt jedoch gesündere und nachhaltigere Wege, dem Bürostress zu trotzen.

Tabletten auf dem Schreibtisch
Zur vermeintlichen Stressbewältigung schlucken viele Arbeitnehmer Medikamente.
© Raufeld/Gerd Metzner

Eine Studie der Deutschen Angestellten-Krankenkasse (DAK) zeigte, dass zwischen 400.000 und 800.000 der erwerbstätigen Deutschen fast täglich verschreibungspflichtige Psycho- und Neuropharmaka ein, ohne dass dafür medizinische Gründe vorliegen. Sämtliche Beweggründe für das Doping am Arbeitsplatz wurden von den Befragten als umso vertretbarer eingeschätzt, je stärker die eigene Arbeitssituation durch belastende Faktoren wie Stress, Konkurrenzdruck oder Arbeitsplatzunsicherheit geprägt war.

Doch was kann man tun, solange sich die eigene Arbeitssituation nicht ändert oder der Stress nicht den Strukturen eines großen Betriebes, sondern zum Beispiel der eigenen Selbstständigkeit entspringt? "Wir wissen, dass dauerhafter Stress in engem Zusammenhang mit unterschiedlichen psychischen Erkrankungen steht. Oft lässt er sich jedoch nicht ohne Weiteres abstellen", sagt Frank Meiners, Diplom-Psychologe und Pressesprecher der Krankenkasse. Deshalb müsse jeder Einzelne für sich Mittel und Wege finden, angemessen mit dem Hochdruck im Job umzugehen.

"Ob Chemie und Pharmakologie ein Teil der Stressbewältigungsstrategien gesunder Menschen werden sollten, ist eine Frage, die jeder für sich selbst beantworten muss", so Meiners. Wichtig ist, sich Ursachen und Folgen klar zu machen. "Was bedeutet es psychologisch, wenn wir der eigenen Leistungsfähigkeit nicht mehr trauen, sondern stattdessen glauben, wir bräuchten Medikamente, um im Job funktionieren zu können? Die Gefahr der Abhängigkeit von beziehungsweise die Fremdbestimmung durch chemische Produkte ist groß. Das geht zudem zu Lasten der eigenen Lösungs- und Bewältigungskompetenz", gibt Meiners zu bedenken.

Beim Sport entspannen

Erwiesenermaßen stressmindernd sind zum Beispiel Ausdauersportarten wie Laufen oder Schwimmen. Darüber hinaus ist es wichtig, sich bewusst zu werden, wie Stress eigentlich "funktioniert". Um Erwerbstätigen ein entsprechendes Know-how zu vermitteln, gibt es spezielle Stressbewältigungskurse, die von vielen Krankenkassen gefördert werden. Auch Methoden wie Autogenes Training, Progressive Muskelentspannung, Yoga oder Qigong bilden eine gute Basis für einen gesunden Umgang mit Belastungen im Arbeitsalltag.

"Alle Methoden haben eines gemeinsam", erklärt Angelina Zöllner, die eine Praxis für Stressbewältigung leitet und Kurse für Arbeitnehmer unter Hochdruck anbietet. "Grundlegend geht es in solchen Seminaren immer darum, einen Zustand aufmerksamer Entspannung zu erreichen." Der Weg dorthin führe über den eigenen Körper, auf den die Aufmerksamkeit während des Kurses gerichtet werde. Denn: Stress entsteht zu einem wesentlichen Teil im Kopf, durch die Gedanken etwa, die man sich über eine bestimmte Situation macht.

Eingefahrene Gedankenmuster lösen

Die Auswirkungen von Stress zeigen sich hingegen immer auch im Körper. Sie äußern sich zum Beispiel über Muskelverspannungen. Indem man sich während der Übungen ganz auf den Körper konzentriere, erde man sich im Hier und Jetzt, so Zöllner. Dadurch werde der Grad der Anspannung gesenkt. Denn ein wesentliches Merkmal von Stress sei es, dass man mit seinen Gedanken schon in der Zukunft, bei der nächsten Aufgabe sei, während das, was momentan zu tun sei, eher automatisch und wie "nebenher" erledigt werde, weiß die Fachfrau.

Doch wie lässt sich die Entspannung aus dem Yoga-Kurs mit ins hektische Treiben im Büro hinüberretten? Angelina Zöllner bietet Kurse zur Stressbewältigung durch Achtsamkeit an, die genau das zum Ziel haben. Die Teilnehmer lernen, auch im Arbeitsalltag zwischendurch immer mal wieder innezuhalten, sich für wenige Momente gedanklich auszuklinken und einfach nur wahrzunehmen, was in diesem Moment geschieht, ohne darüber zu urteilen.

Im Verlauf dieser Achtsamkeitskurse werden sich viele Teilnehmer bewusst, dass ein wesentlicher Teil ihrer Belastung durch eigene eingefahrene Gedankenmuster erzeugt wird. "Diese neuronalen Trampelpfade kann man auch einmal links liegen lassen und nach neuen Wegen suchen", sagt Angelina Zöllner. Das sei auch eine Möglichkeit, auf seine Gehirnfunktionen Einfluss zu nehmen - ohne Chemie und bittere Pillen.

Eva Hakes/Raufeld/RF

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