Hanke Huber
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01.04.2022
"Bei den meisten Techniken – jedoch keinesfalls bei allen – tritt eine typische Entspannungsreaktion auf." So erklärt der Neurowissenschaftler und Meditationsforscher Dr. Ulrich Ott den Effekt einer Meditation. Durch das bewegungslose Sitzen, Knien oder Liegen kommt der Körper zur Ruhe. Die Atmung verlangsamt sich, Herzfrequenz und Blutdruck sinken. Nicht zu vernachlässigen: der Einfluss auf das Gehirn. "Hier stellen wir unterschiedliche Effekte fest, je nachdem worauf die Aufmerksamkeit gerichtet wird. Eine Mantra-Wiederholung aktiviert Areale zur Sprachproduktion. Bei Meditationen, die auf Gefühle gerichtet sind – Mitgefühl oder liebende Güte zum Beispiel –, werden dagegen Hirnregionen aktiviert, in denen die inneren Organe repräsentiert sind. Das hat damit zu tun, dass wir Gefühle ja auch tatsächlich im Körper spüren", so der Experte vom Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene in Freiburg im Breisgau. Neben körperlicher Entspannung spielt die Atmung eine wichtige Rolle. Sie verlangsamt und vertieft sich, wodurch sich das vegetative Nervensystem hin zur Entspannung verschiebt.
Negative Gedankenmuster erkennen
Hinzu kommt ein veränderter Blickwinkel auf sich selbst. Ott: "Bei der Meditation können Sie innerlich beobachten, wie Gedanken, Gefühle und körperliche Empfindungen miteinander in Wechselwirkung stehen. Mit etwas Übung lernt man, Gedankenmuster, Bewertungen und Vorstellungen, die Stress auslösen, zu erkennen und sich von ihnen zu lösen." Die veränderte Sichtweise kann auch bei Depressionen helfen. So lässt sich mit speziell entwickelten meditativen Trainings die Rückfallhäufigkeit bei Depressionen deutlich reduzieren. Achtsamkeitsbasierte kognitive Verhaltenstherapie (MBCT) nennen dies die Experten. "Ein typisches Kennzeichen von Depressionen ist das permanente Grübeln, oft in Verbindung mit Schuld- und Schamgefühlen. Meditation hilft, Grübelschleifen zu erkennen und zu unterbrechen und sich stattdessen mehr auf die Gegenwart sowie auf positive Erfahrungen und Haltungen zu konzentrieren", erklärt Ott.
Schmerzen anders wahrnehmen
Auch bei Schmerzen zeigt sich Meditation als effektiv. "Wir haben bei Gehirnscans herausgefunden, dass erfahrene Meditierende Schmerzreize zwar ebenfalls bewusst erlebt haben. Sie konnten die negative Bewertung und Angst davor durch eine achtsame Haltung jedoch deutlich reduzieren", betont der Neurowissenschaftler. Das hilft, weniger unter Schmerz zu leiden. Viele Studien belegen die Wirkung auch für andere Krankheiten. Auf das Immunsystem üben Stress, Schmerz und Depressionen großen Einfluss aus, so dass deren Verminderung die Therapie positiv beeinflusst.
Es gibt aber Fälle, in denen Meditation nicht guttun kann. Ott: "Menschen, die an einer posttraumatischen Belastungsstörung leiden, können zwar auch von Meditation profitieren. Sie sollten aber vorsichtiger sein, weil durch Meditation belastende Erinnerungen und Gefühle aus der Vergangenheit wieder auftauchen können. Hier ist es wichtig, die Kursleitung entsprechend zu informieren und bei Bedarf eine therapeutische Begleitung zu nutzen."