25.05.2016
Für die Pflege im Alter gilt die sogenannte Pflege-Charta des Bundesfamilienministeriums, nach der jeder hilfsbedürftige Mensch ein Recht darauf hat, vor Gefahren für Leib und Leben geschützt zu werden. Der Pflegebedürftige hat zudem einen Anspruch auf die notwendige Versorgung. Das berichtete Professor Dr. Ulrich Jaehde vom Pharmazeutischen Institut in Bonn zu Beginn seines Vortrages bei der diesjährigen internationalen Fortbildungswoche der deutschen Bundesapothekerkammer in Meran. Bezogen auf die Arzneimittelversorgung klafft zwischen Realität und Anspruch eine Lücke, wie Jaehde anhand eigener Studien beweisen konnte. Bei Untersuchungen in 11 verschiedenen Heimen stellte er mit seinem Team insgesamt rund 10 Prozent Fehler in der Medikation fest. Die gute Botschaft: über die Jahre ist es besser geworden.
Was immer noch viel zu wenig beachtet wird, ist laut Jaehde der veränderte Stoffwechsel der Menschen im Alter: Insbesondere die Niere verliert an Leistung, was zur Anhäufung der Arzneistoffe im Körper und damit praktisch zu Überdosierungen führt. Dazu kommen Fehler in der zeitlichen Gabe der Arzneimittel. Auch junge Menschen schaffen es kaum, drei Arzneimittel wirklich korrekt vor, zu oder nach den Mahlzeiten zu nehmen. Die unerwünschten Nebenwirkungen der Therapie machen sich in erste Linie im Magen bemerkbar, in zweiter Linie neurologisch und an dritter Stelle im Herz-Kreislauf-System. Vor allem Stürze passieren dadurch häufiger.
Mit einem geregelten Programm zur Arzneimittelsicherheit (AMTS) könnten nach den Untersuchen Jaehdes 60 Prozent der unerwünschten Begleiterscheinungen vermieden werden. In einem Pilotprojekt in Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg-Vorpommern wurde die Wirksamkeit einer solchen Intervention gezeigt. Ein Team aus Apothekern und Pflegekräften hat die Medikation alter Menschen in Heimen nach festgelegten Kriterien analysiert, Nebenwirkungen daraus erkannt und den behandelnden Ärzten Änderungsvorschläge gemacht. In einer Art Ampelsystem wurden bestimmte Substanzen wie Beruhigungsmittel auf „rot“ gesetzt und möglichst vermieden, andere unter besondere Beobachtung gestellt. Grundsätzlich, so Jaehde, muss diese Arbeit im multiprofessionellen Team gemacht werden: Ärzte, Apotheker und Pflegekräfte sollten also an einem Strang ziehen. Im Falle der oben zitierten Seniorin musste insbesondere ein Antidepressivum reduziert werden. Ohne Folgen für die seelische Stimmung der Patientin übrigens.
JPL