Herr Geisselhart, was ist das Geheimnis Ihres Gedächtnistrainings?
Geisselhart: Das Geheimnis ist an sich schon mehrere tausend Jahre alt. Im Prinzip geht es auf das Bilderdenken zurück. Der Trick beim Merken ist: Alles, was ich mir vor meinem geistigen Auge in Bildern oder als Filmchen vorstelle, bleibt wesentlich besser haften als wenn es eine blanke Information wäre.
Wann muss das Gehirn besonders genau "hinschauen"?
Geisselhart: Wenn diese Bildergeschichte möglichst absurd, kreativ, lustig und komplett neu für mein Gehirn ist, dann muss es viel mehr "hingucken" und darauf achten, was da von draußen reinkommt. Das hat mit dem Überlebensinstinkt des Menschen zu tun. Wenn etwas Neues kommt, muss das Hirn erst einmal beurteilen, ob das für das Überleben wichtig oder gefährlich ist. Und wenn etwas reinkommt, was es schon kennt, dann sagt es: "Ist nicht wichtig, da rein, da raus, fertig." Deswegen sollte das Bild übertrieben und nicht so alltäglich sein. Mein Lieblingsspruch ist immer "je bescheuerter, desto merk".
Können Sie mir ein Beispiel geben?
Geisselhart: Nehmen wir mal meinen Namen: Geisselhart. Den muss man jetzt "verbildern". Auf der Bühne, wenn ich Vorträge halte, habe ich dazu schon mal eine Domina-Peitsche dabei und geißel mich wirklich vor den Leuten hart. Wenn die das sehen, kommen sie danach an meinen Büchertisch und sagen: "Ihren Namen vergesse ich nie wieder, das weiß ich jetzt schon." Und es gibt auch welche, die Monate später E-Mails schreiben und sagen: "Ich sehe Sie ständig noch da oben stehen, wie Sie sich geißeln, ganz hart." Mit so einer Verknüpfung bleibt der Name viel eher haften.
Und das klappt immer so einfach?
Geisselhart: Das Problem vieler Menschen ist, dass sie in ihrem bekannten, herkömmlichen Denken verhaftet sind. Zudem bekommt man in unseren Breitengraden schon als Kind eingetrichtert: "Denk keinen Schweinkram, denk nichts mit Fäkalien, denk nichts, wo es anderen schlecht dabei geht!" Aber gerade das sind alles Bilder, die gut funktionieren. Wer seinen Gedanken freien Lauf lassen und diese Zensur mal weglassen kann, der wird bei dieser Technik Riesenfortschritte machen.
Und wenn man Kindern freien Raum lässt?
Geisselhart: Ein schönes Beispiel für dieses Problem ist, wenn Senioren gegen ihre Enkel Memory spielen. Dann verlieren sie immer. Jeder Erwachsene verliert gegen jedes Kind, so lange es noch nicht durch die Schule an Kreativität eingebüßt hat. Ein Kind, das ganz normal denkt, denkt automatisch in Bildern und denkt auch viel mit Gefühlen und hat keine Probleme mit irgendwelchem Schweinkram und gewinnt deshalb beim Memory, wo man sich Dinge merken muss. Wenn ich also von kindlichem Denken lerne und alles zulassen kann, dann kann ich als Erwachsener auch wieder so gut werden wie ein Kind.
Was können wir denn tun, um wieder in diese Art des kindlichen Denkens reinzukommen?
Geisselhart: Das gelingt meiner Meinung nach am besten, wenn Sie das wirklich jeden Tag üben. Zum Beispiel bei einem neuen Namen. Versuchen Sie einfach mal, ein Bild daraus zu machen.
Also echtes Training?
Geisselhart: Ja, Training durch Anwendung würde ich es nennen. Das kann man ja im Alltag ständig machen. Ich kann mir auch meinen Einkaufszettel notieren, und wenn ich ihn notiert habe, lerne ich ihn auswendig, indem ich ihn mit Bildern verknüpfe, und stecke ihn ein. Dann gehe ich auswendig einkaufen, und vor der Kasse checke ich, ob ich wirklich alles eingepackt habe. Habe ich es mir richtig behalten, ist es gut, dann marschiere ich raus. Und wenn nicht, dann hole ich halt die zwei, drei Sachen, die fehlen, noch nach. Aber so trainiere ich mein Gedächtnis.
Vielen Dank für das Gespräch.
Die Fragen stellte Apotheker Fabian Henkel.