SeniorenGesundheit

Individuelle Therapie bei hohen Blutfetten

NK  |  03.09.2022

Erhöhte Blutfette verursachen keine Symptome, sodass sie oft lange unerkannt bleiben. Sie erhöhen jedoch das Risiko für einen lebensgefährlichen Herzinfarkt oder Schlaganfall. Wer gefährdet ist und warum eine individualisierte Therapie sinnvoll ist, erläutert Prof. Amir A. Mahabadi, Leiter der Lipid-Ambulanz am Westdeutschen Herz- und Gefäßzentrum der Universitätsmedizin Essen.

Foto von Blutröhrchen mit der Aufschrift "Cholesterol-Test".
Erhöhte Cholesterinwerte verursachen keine Symptome und lassen sich nur anhand eines Bluttests feststellen.
© jarun011/iStockphoto

Wie viele Menschen in Deutschland haben erhöhte Blutfette? 

Erhöhte Cholesterin- und andere Blutfettwerte kommen leider häufig vor. In Abhängigkeit von der Altersgruppe und übrigen Risikofaktoren wie Rauchen, Bluthochdruck oder einer Zuckererkrankung haben in Deutschland bis zu 70 Prozent Cholesterinwerte, die höher sind als von den Fachgesellschaften empfohlen. Die wichtigsten Werte lassen sich durch eine einfache Blutentnahme beim Hausarzt bestimmen. Dies sollte erstmalig bei Männern ab dem 45. Lebensjahr und bei Frauen ab dem 50. Lebensjahr erfolgen. Wenn in der eigenen Familie bei Eltern oder Geschwistern Herzinfarkte oder Schlaganfälle bereits früh im Leben aufgetreten sind, kann es sinnvoll sein, bereits im jungen Erwachsenenalter die Blutfettwerte zu bestimmen. Insbesondere die Höhe des LDL-Cholesterins, des sogenannten „schlechten“ Cholesterins, beeinflusst Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erheblich.

Woher weiß ich, dass ich gefährdet bin? Gibt es Symptome oder Risikofaktoren?

Leider gibt es für die meisten Formen der Erhöhungen keine Risikofaktoren oder Warnsymptome, sodass die Erkrankung erstmalig nach einem Herzinfarkt oder Schlaganfall erkannt wird. Werden hohe Blutfette jedoch früh erkannt und behandelt, lassen sich solche Ereignisse verhindern. In vielen Fällen liegt der Erhöhung der Cholesterinwerte eine genetische Veränderung zugrunde. Daher kommen hohe Werte auch bei Patienten mit gesundem Lebensstil vor, die sich ausgewogen ernähren und regelmäßig sportlich aktiv sind. Wenn Patienten bereits eine koronare Herzerkrankung oder eine andere Gefäßerkrankung haben, so sollte das Cholesterin regelmäßig kontrolliert und medikamentös eingestellt werden. Hier gelten besondere Grenzwerte. Wenn diese erreicht werden, so kann ein Fortschreiten der Erkrankung aufgehalten werden.

Welche Therapieoptionen gibt es?

Die Statine stellen die führende Therapieoption bei erhöhten Cholesterinwerten dar. Sie gehören zu den wissenschaftlich am besten untersuchten Medikamenten und werden von vielen Patienten sehr gut vertragen. In den vergangenen Jahren sind noch zahlreiche weitere Therapieoptionen hinzugekommen. Diese werden meistens als Kombinationstherapie mit Statinen gemeinsam eingesetzt. Bei Unverträglichkeiten kommt aber auch eine Monotherapie dieser neueren Substanzen in Betracht. Während die Statine häufig durch den Hausarzt verschrieben werden können, so ist die erstmalige Verordnung von zum Beispiel PCSK-9-Inhibitoren, einer sehr effizienten Spritzentherapie, nur durch Fachärzte mit entsprechendem Fokus möglich. Welche Therapien in Frage kommen, richtet sich auch immer nach dem Risiko des Patienten und den Vorerkrankungen. Durch die unterschiedlichen heute verfügbaren Optionen können wir die Therapie maßgeschneidert entsprechend den Blutfettwerten und dem Risiko des einzelnen Patienten ausrichten. Aber auch spezifische Therapieoptionen für spezielle Fettstoffwechselstörungen werden die medikamentösen Therapieoptionen in den kommenden Jahren weiter bereichern. Hierzu zählen Therapeutika für Patienten mit erhöhtem Lipoprotein(a) oder erhöhten Triglyceriden. Diese sind aktuell jedoch nur im Rahmen von klinischen Studien verfügbar.

Welche Therapie ist für mich die richtige? 

Erhöhte Blutfette sollten immer individuell behandelt werden. Der erste Schritt ist die Bestimmung der Blutfettwerte (Gesamt-Cholesterin, LDL-Cholesterin, HDL-Cholesterin und Triglyceride). Einmalig im Leben sollte zusätzlich das Lipoprotein(a) bestimmt werden, welches ein Marker des genetischen Risikos ist, der durch konventionelle Therapie und Lebensstil nicht verändert werden kann. In der Primärprävention, also wenn noch keine kardiovaskuläre Erkrankung aufgetreten ist, schließt sich in der Regel ein Gespräch mit den behandelnden Ärzten an, in dem individuelle Ziele gesetzt werden. Hier fließen die Blutwerte ein, die übrigen Risikofaktoren wie auch der Wunsch des Patienten. Mittels bildgebender Technologien kann man auch untersuchen, ob bereits Ablagerungen in den Gefäßen nachweisbar sind. Neuerdings stehen den Ärzten zur Beratung ihrer Patienten auch Kalkulatoren zur Verfügung, die dabei unterstützen, den Nutzen von Maßnahmen der Primärprävention bezogen auf den Zugewinn an Lebenserwartung abzuschätzen. Die Europäische Gesellschaft für Kardiologie (ESC) stellt beispielsweise solche Tools zur Verfügung. Das Ziel dabei ist es, das Risiko und den Nutzen einer Therapie für den einzelnen Patienten immer besser einzuschätzen. Wir sind hier sicher noch nicht am Ende des Weges angekommen. Zukünftig kommen auch Techniken des maschinellen Lernens hinzu, um Ärzte zu unterstützen, die immer größer werdende Flut an Daten kombiniert zu interpretieren. Was am Ende steht, ist jedoch der einzelne Patient, für den es gilt, das Auftreten von kardiovaskulären Erkrankungen zu verhindern. Der Weg dahin kann für jeden Patienten anders aussehen.

 Was kann ich selbst tun, um meine Blutfette positiv zu beeinflussen?

Ein gesunder Lebensstil kann die Blutfette positiv beeinflussen. Hierzu zählt eine ausgewogene Ernährung, die idealerweise beispielsweise täglichen Fleischkonsum vermeidet und mindestens einmal pro Woche Fischspeisen beinhaltet. Auch regelmäßiger Ausdauersport beeinflusst die Blutfette wie auch das kardiovaskuläre Risiko insgesamt positiv. Durch einen gesunden Lebensstil einschließlich Sport werden nicht nur die Cholesterinwerte und freien Fette günstig beeinflusst. Auch Der Blutdruck kann hierdurch gesenkt werden und das Risiko für eine Zuckererkrankung sinkt. Es gibt aber auch genetische Ursachen für erhöhte Blutfette. Hier gelingt es häufig leider nicht, durch einen gesunden Lebensstil alleine die Blutfettwerte zu kontrollieren. Insbesondere, wenn kardiovaskuläre Erkrankungen bereits aufgetreten sind, werden dann medikamentöse Optionen zur Senkung der Cholesterinwerte notwendig.

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