Wohlfühlen

Judith Rakers hat große Sehnsucht nach der Natur

aponet.de  |  01.07.2024

Sie galt als eine der beliebtesten Nachrichtensprecherinnen Deutschlands, als sie sich von der Tagesschau verabschiedete. Nun konzentriert sich Judith Rakers als Buchautorin und Unternehmerin auf ein neues Lebensthema: Selbstversorgen aus dem eigenen Garten. aponet.de fragte nach, wie es zu dem ungewöhnlichen Karriereweg kam.

Judith Rakers auf ihrer Farm.
Judith Rakers setzt auf ihrem Bauernhof nahe Hamburg auf Selbstversorgung.
© Patrick Lipke

Mir sagen Menschen aus Hamburg immer, dass ihre Stadt die schönste Stadt der Welt ist. Empfinden sie auch so?

Rakers: Ich finde, es gibt sehr viele schöne Städte auf der Welt. Natürlich liegt es auch ein bisschen im Auge des Betrachters. Es kommt auch in Hamburg darauf an, wo man hinschaut – auch hier gibt Ecken, die nicht so einladend sind. Aber die Innenstadt ist eben einzigartig, weil es so viel Wasser gibt. Und wir haben ein ganz besonderes Flair in der Stadt, weil Hamburg durch den Hafen schon immer eine sehr weltoffene und tolerante Stadt war. Das macht sich im Miteinander der Menschen und im Kulturleben bemerkbar. Und das alles führt dazu, dass Hamburg wirklich eine sehr lebenswerte, für mich wirklich schöne Stadt ist.

Warum sind Sie dann aus Hamburg weg und aufs Land gezogen?

Rakers: Ich habe Hamburg gar nicht verlassen, weil ich immer noch im Umland von Hamburg lebe. Ich könnte jederzeit reinfahren in den Trubel – aber ehrlich gesagt genieße ich derzeit am liebsten die Ruhe und die Natur auf meiner kleinen Farm.

Viele träumen vom Landleben, können den Traum aber am Ende nicht umsetzen. Was war bei Ihnen anders?

Rakers: Ich war in einer Lebensphase, in der ich frei und unabhängig entscheiden konnte. Nach der Scheidung musste ich sowieso eine neue Wohnung für mich finden und dann habe ich die Gelegenheit beim Schopfe gepackt. Mir war klar, dass ich weitere Wege in Kauf nehmen muss, um zur Tagesschau ins Studio zu fahren oder um zum Bahnhof zu kommen. Aber ich sitze lieber etwas länger in der S-Bahn oder im Auto und habe dann, wenn ich zu Hause bin, Natur um mich herum. Die Sehnsucht danach war so groß, dass ich dem viele Dinge untergeordnet habe. Meine Nachbarn und ich sind hier beispielsweise nicht ans städtische Wassernetz angeschlossen. Wir haben jeder einen eigenen Brunnen, aus dem wir unser Trinkwasser holen.

Wie hat das bei Ihnen angefangen mit dem Selbstversorgen?

Rakers: Zuerst war da die Sehnsucht nach mehr Natur in meinem Leben, dann wuchs die Idee in mir, aufs Land zu ziehen und dann kam noch eine besondere Begegnung dazu: Der Selbstversorger Wolf Dieter Storl war Gast in der Talkshow 3nach9, die ich gemeinsam mit Giovanni die Lorenzo moderiere. Als Vorbereitung auf die Sendung las ich sein Buch über den Gemüseanbau und das Selbstversorgen. Und je mehr ich las, desto faszinierender fand ich es, sich aus eigener Kraft und aus dem eigenen Garten ernähren zu können – völlig unabhängig von Ladenöffnungszeiten. Und dann habe ich es einfach ausprobiert. Und ich war überrascht, dass so vieles sofort funktioniert hat. Es wuchsen plötzlich Dinge im Garten und auf der Terrasse, die ich essen konnte, und das hat mich motiviert, immer mehr anzupflanzen. Mittlerweile wachsen über 80 verschiedene Obst und Gemüsesorten in meinem Garten – auch viele seltene Sorten.

Was ist das Besondere an diesen Sorten?

Rakers: Sie sehen toller aus und schmecken besser (lacht). Ich habe hier zum Beispiel eine Pfirsich-Tomate. Sie hat eine flauschige Haut wie ein Pfirsich und schmeckt wunderbar mild und süß. Und die Pflanze trägt bis in den Winter. Der Kohlrabi in meinem Beet ist blau, der Blumenkohl lila, die Rote Bete ist geringelt und der Mangold strahlt in Regenbogenfarben. Wenn man sich solche Sorten in den eigenen Garten holt, wird der Teller viel bunter und vielseitiger.

Das klingt lecker.

Rakers: Man denkt immer, dass Nachhaltigkeit mit Verzicht zu tun hat. Wenn man jedoch selbst das ganze Jahr über Gemüse anbaut, was sehr nachhaltig ist, dann bereichert es das eigene Leben und den Speiseplan. Das Gemüse im eigenen Garten oder auf dem Balkon hat die kürzeste Lieferkette der Welt, und es ist 24/7 verfügbar. Auch im Winter wächst genug, um sich selbst versorgen zu können – es gibt auch großartige Kohlsorten, die in Form und Farbe überraschen: roten Spitzkohl zum Beispiel, blauen Kohlrabi, lila Rosenkohl. Das sorgt für einen vielseitigeren und gesünderen Speiseplan, als wenn man immer nur tagein tagaus rote Tomaten in seinen Einkaufswagen packt – so wie ich das früher gemacht habe.

Wenn man sich so vielfältig ernährt, tut das sicher auch dem Körper gut.

Rakers: Ich bin keine Ernährungswissenschaftlerin, aber ich habe das Gefühl, dass die Natur in jeder Jahreszeit das für uns bereithält, was uns gerade gut tut. Wintergemüse hat zum Beispiel viel Vitamin C und das kann der Körper in der Erkältungssaison gut gebrauchen. Seitdem ich mich saisonal aus meinem Garten ernähre, bin ich seltener krank.

Viele würden sicher auch gerne Gemüse anbauen. Warum trauen sie es sich nicht zu?

Rakers: Viele Menschen, die – wie ich – voll berufstätig sind, denken, dass sie zu wenig Zeit und zu wenig Wissen dafür haben. Aber das ist ein Irrglaube. Wenn man den Gemüseanbau pragmatisch angeht und die unterschiedlichen Schwierigkeitsgrade beim Gemüse berücksichtigt, ist es wirklich kinderleicht. In meinen Büchern habe ich dafür ein System entwickelt. Ich teile das Gemüse in Schwierigkeitsklassen ein und empfehle: „Wenn ihr Anfänger seid, beginnt mit dem einfachen Gemüse. Pflanzt die Sachen, die nicht so viel Pflege brauchen. Und wagt euch erst nach den motivierenden Erfolgen an das Gemüse für Fortgeschrittene und Leidensfähige.“

Können Sie ein praktisches Beispiel nennen?

Rakers: Aber sicher. Wenn Sie im Frühling einen Mangold-Samen in die Erde legen, wächst aus diesem Samen eine riesige Pflanze. Da können Sie, wenn Sie immer nur die äußeren Blätter abschneiden, das ganze Jahr ernten – bis in den Dezember. Der Mangold kommt sogar im nächsten Jahr wieder, und Sie können noch ein weiteres Jahr davon essen. Er lässt sich verarbeiten wie Spinat – als Beilage oder im Smoothie. Eine Handbewegung – Samen in die Erde – macht also zwei Jahre lang satt. Einfacher geht’s doch wohl nicht, oder? (lacht)

Neben Ihren Selbstversorger-Büchern haben Sie im Frühjahr ein Kinderbuch veröffentlicht. Die Hauptfigur ist der Kater Jack. Gibt es den wirklich?

Rakers: Ja, den gibt es wirklich, und im Buch erzähle ich seine echte Geschichte. Wie er als Baby-Kater zu mir auf die kleine Farm gekommen ist, in die ich selbst gerade erst eingezogen war. Ich erzähle, wie Jack die anderen Tiere im Garten kennenlernt: die Hühner, die Pferde, die anderen Katzen – aber auch die Schnecken, Eichhörnchen, Wühlmäuse und Günter, den Maulwurf. Den kleinen Kater habe ich als Erzähler gewählt, um Augenhöhe zu schaffen mit den Kindern. Denn Jack betrachtet die Welt neugierig und lernt ganz viel durch Fragen und durch Zuschauen, genauso wie Kinder es tun.

Sie selbst spielen auch eine Rolle im Buch.

Rakers: Nur eine Nebenrolle. Mir war wichtig, dass die erwachsene Person eine Frau ist, die sich viel zutraut, aber der nicht immer alles gelingt, die es aber zumindest versucht. In meiner Kindheit haben Männer in Latzhose, wie z. B. Peter Lustig, die Welt erklärt. Meine kleinen Leserinnen und Leser sollen sehen, dass auch ein Erwachsener mal etwas Neues lernen muss. Und so lernen sie gemeinsam mit mir und Kater Jack ganz viel über die Tiere im Garten und über den Anbau von Gemüse. Sie können dann hinterher selbst Pflücksalat anbauen.

Wird es auch Nachfolgebände geben?

Rakers: Ja, das zweite Kinderbuch habe ich bereits fertig geschrieben. Es wird gerade illustriert und erscheint im Sommer 2025. Im neuen Buch ist die kleine Farm in großer Gefahr, weil Habicht und Fuchs angreifen. Die Tiere müssen sich zusammentun, um diese Angriffe abzuwehren. Es wird sehr abenteuerlich und spannend, auch weil man die Tiere durch Band 1 schon so sehr in Herz geschlossen hat. Ich arbeite jetzt sogar schon am dritten Band. Ich habe so viele Ideen für die Geschichten im Kopf, dass ich ganze Regale damit füllen könnte. Denn ich muss nur in den Garten gehen, um mich inspirieren zu lassen. Dort warten jeden Tag neue Geschichten auf mich, die ich gern erzählen würde.

Vielen Dank für das Gespräch!

Die Fragen stellte Rüdiger Freund.

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