16.09.2013
Ein fünfjähriges, verweintes Mädchen kommt mit seiner Mutter abends in die ärztliche Notaufnahme: "Meine Tochter ist schon lange erkältet und jetzt hat sie seit dem frühen Nachmittag Ohrenschmerzen", berichtet die besorgte Mutter. So wie in diesem Fall könnte eine schwere, durch Pneumokokken bedingte Mittelohrentzündung beginnen. Doch das Mädchen hatte Glück: Der Arzt stellte "nur" eine durch Viren ausgelöste Mittelohrentzündung fest und gab Entwarnung: "Das bessert sich meist in ein bis zwei Tagen von allein." Er empfahl ein verträgliches Schmerzmittel, abschwellende Nasentropfen und einen nochmaligen Arztbesuch, falls die Beschwerden nicht schnell zurückgehen oder Fieber hinzukommt. Bei vielen Betroffenen ist die Sache dann tatsächlich bald ausgestanden.
Lauernde Keime
Nicht immer läuft es so unkompliziert. Sammelt sich Flüssigkeit im Mittelohr und breiten sich dort Bakterien wie etwa Pneumokokken aus, kann es sogar zu eitrigem Ausfluss aus dem Ohr, massiven Schmerzen und Fieber kommen. Erfolgt keine konsequente Behandlung, besteht die Gefahr, dass die Infektion den Knochen hinter dem Ohr oder sogar die Hirnhäute erfasst. Ein zwar seltener, aber schwerer Krankheitsverlauf, hinter dem oft Streptococcus pneumoniae steckt. Der Keim besiedelt unbemerkt viele Menschen, ohne sie krank zu machen. Doch unter für ihn günstigen Bedingungen – etwa bei einer Abwehrschwäche – breitet er sich massiv aus und verursacht neben Mittelohr-, Hirnhaut- oder Nasennebenhöhlen-Entzündungen teils schwere Lungenentzündungen.
Um besonders kleine Kinder mit noch nicht voll entwickeltem Immunsystem vor dem Keim zu schützen, hat 2006 die Ständige Impfkommission empfohlen, alle Kinder unter zwei Jahren dagegen zu impfen. Zuvor galt dieser Ratschlag nur für besondere Risikogruppen. Ein vollständiger Schutz erfordert vier Impfungen, je eine im 2., 3. und 4. Lebensmonat und eine zwischen dem 11. bis 14. Lebensmonat. Verwendet wird ein "verstärkter" sogenannter Konjugatimpfstoff, um eine ausreichende Reaktion des Immunsystems zu erreichen. Falls eine Impfung versäumt wurde, sind Nachholimpfungen möglich.
Empfehlung der Experten
Ab dem 24. Lebensmonat wird normalerweise nicht mehr geimpft, auch nicht, wenn der Impfschutz zuvor unvollständig war. Eine Ausnahme bilden gesundheitlich besonders gefährdete Kinder, Jugendliche und Erwachsene, beispielsweise bei HIV, Tumorleiden, Krankheiten der blutbildenden Organe, Herz-Kreislauf-Leiden oder Diabetes.
Ab 60 Jahren empfiehlt die Ständige Impfkommission wieder jedem eine Impfung, besonders zum Schutz vor den gerade bei alten Menschen mitunter lebensbedrohlichen Lungenentzündungen durch Pneumokokken. Geimpft wird normalerweise mit einem anderen Impfstoff als bei Kindern, und das in der Regel nur einmal alle fünf Jahre.
Dr. Frank Schäfer