Gesundheit

Mehr Sehbehinderungen durch Diabetes in Deutschland

NAS  |  20.11.2024

Diabetes ist heute dank wirksamer Medikamente und Therapien gut behandelbar. Trotzdem werden Folgeschäden wie Sehbehinderungen durch Diabetes in Deutschland zunehmen, warnt Professor Dr. med. Focke Ziemssen von der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft e.V. (DOG).

Älterer Mann, bei der Augenuntersuchung.
Menschen mit Diabetes wird geraten, ihre Augen einmal im Jahr untersuchen zu lassen.
© andy_Q/iStockphoto

Die Stoffwechselerkrankung Diabetes greift nicht nur Nieren, Füße und Herz an. „Die schwankenden Blutzuckerwerte schädigen mit der Zeit auch die feinen Blutgefäße im Auge und verschlechtern die Durchblutung der Nervenzellen“, erläutert Ziemssen. In der Folge treten in der Netzhaut kleine Blutungen und Eiweißablagerungen oder auch eine Ansammlung von Wasser an der schärfsten Stelle des Sehens auf, der Makula. „Bis zu 25 Prozent der Betroffenen mit Diabetes Typ 2 entwickeln im Zeitraum von zehn Jahren eine diabetische Retinopathie oder diabetische Makulopathie“, so Ziemssen. „Bei diesen Augenerkrankungen droht ein Sehverlust bis hin zur Erblindung.“

Zwar sind diabetesbedingte Schäden am Auge mit gut behandelbar. „Dank dieses Fortschritts sind Erblindungen in Folge von Diabetes erfreulicherweise stark gesunken“, berichtet der DOG-Experte. „Dennoch erwarten Experten weltweit einen erneuten Anstieg an Sehbehinderungen, auch in Deutschland“, betont der Netzhaut-Spezialist. Das liegt zum einen an der Demographie: Die Zahl der Fälle von Diabetes Typ 2 nehmen zu: In Deutschland erkranken über die fast 9 Millionen Betroffenen hinaus jedes Jahr 450.000 Menschen neu. 

Bei jedem Zweiten fehlt das Krankheitsbewusstsein 

Zum anderen spielen mangelhafte Information, organisatorische Hürden und häufig auch fehlendes Krankheitsbewusstsein eine Rolle. Das beginnt bei der Früherkennung: Untersuchungen großer Krankenkassen zeigen, dass zwei Jahre nach der Diagnose eines Typ-2-Diabetes nur etwa die Hälfte aller Betroffenen augenärztlich untersucht sind. „Als Barrieren werden fehlende Informationen sowie lange Wartezeiten auf Termine und am Tag der Untersuchung angegeben“, sagt Ziemssen. Verdrängung spiele ebenfalls hinein. „Wir sehen immer wieder, dass Betroffene nicht realisieren, dass sie bereits erkrankt sind. Selbst unter gelaserten Personen sagen 50 Prozent, dass sie keine Retinopathie haben“, erläutert Ziemssen. Generell wird empfohlen, dass Menschen mit Diabetes einmal im Jahr zur Kontrolle beim Augenarzt gehen.

Bis zu 60 Prozent brechen die Therapie ab

Als besonders dramatisch gilt die Zahl derer, die die Behandlung vorzeitig beenden: Die Abbruchraten bei der Injektionstherapie betragen zwischen 30 und 60 Prozent während des ersten Behandlungsjahres. Ein Grund dafür könnte die Überforderung der Patienten sein, erläutert Ziemssen: „Menschen mit Diabetes leiden ja häufig noch unter anderen Gesundheitsproblemen, etwa an Fuß oder Niere.“ Eine mögliche Erblindung mit ihren Folgen werde dabei schlicht verdrängt.

Um unnötige Sehbehinderungen zu verhindern, müsse daher ein stärkeres Bewusstsein für diabetesbedingte Augenerkrankungen geschaffen werden. „Ärztinnen und Ärzte sollten Informationsmaterialien aushändigen und über die Dringlichkeit von Untersuchungen und Therapie aufklären“, schlägt der Leipziger Augenarzt vor. Familienmitglieder und Freunde ermutigt der Experte zudem, Betroffenen ihre Hilfe und Unterstützung anzubieten – beispielsweise bei der Organisation eines Facharzttermins oder der Fahrt zum Augenarzt. 

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