Gesundheit

Peter Wohlleben: "Bäume sind sozial!"

Dr. Frank Schäfer  |  10.05.2024

Im APOTHEKEN MAGAZIN vom 15. Mai 2024 hat Deutschlands wohl bekanntester Förster über den Nutzen von Wald, die von ihm begründeten Waldakademie, Wald im Zeichen des Klimawandels und seinen Lieblingsbaum berichtet. Erfahren Sie hier, wie er über zukünftige Forstwirtschaft denkt, wofür sich die gemeinnützige Stiftung "Wohllebens Wald & Wildnis gGmbH" einsetzt und wie sozial Bäume sein können.

Peter Wohlleben.
Peter Wohlleben weiß: Bäume sind keine Individualisten, sondern arbeiten zusammen und kümmern sich umeinander.
© Miriam Wohlleben

Herr Wohlleben, wie kann aus Ihrer Sicht trotz Klimawandel künftig Forstwirtschaft funktionieren?

Peter Wohlleben: Jede Holzernte ist eine Störung und man muss schauen, was sie bewirkt. Im Detail wissen wir das nicht, weil geschätzt 90 Prozent aller Arten auch in Deutschland, vor allem viele Bakterien, Pilze und Insekten, noch gar nicht entdeckt wurden. Aber die sind sehr wichtig in Natursystemen und reagieren auf Klimaveränderungen. Auch wenn wir nicht wissen wie, lassen sich die Folgen gut abschätzen. Daran muss man die Holzernte anpassen: also schonender vorgehen, weniger große Maschinen, mehr Pferdeeinsatz zum Beispiel. Und wir sollten viel weniger Holz entnehmen, zum Beispiel indem wir auf Holzverbrennung verzichten. Geht man mehr auf Wärmepumpen und solche Dinge, kann das Wälder sehr entlasten. Denn je heißer es wird, desto mehr Biomasse brauchen sie für sich selbst. In trockenheißen Sommern muss man vielleicht auch mal ganz auf Holzeinschlag verzichten.  Dann bekommt die Holzindustrie Probleme, keine Frage. Aber wenn wir den Wald weiter auspressen wie bisher, ist er irgendwann gar nicht mehr in der Lage, Holz zu liefern, und das wollen wir verhindern.

Wofür setzt sich Ihre gemeinnützige Stiftung »Wohllebens Wald & Wildnis gGmbH« ein?

Peter WohllebenWir haben in Deutschland riesige Kahlschläge auch in Schutzgebieten, die nach Einschätzung unserer Juristin illegal sind. Wir haben einen ersten Fall, der steht auch auf unserer Homepage, der aktuell bei der EU-Kommission zur Prüfung liegt. Wir setzen uns dafür ein, dass es endlich aufhört, dass in Schutzgebieten und auch in Nationalparks Wälder kahlgeschlagen werden. Also das macht die gemeinnützige Einrichtung, sie setzt sich für den Schutz der Wälder und vor allem auch für die Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen in bestehenden Schutzgebieten ein.

In Ihrem Buch "Unser wildes Erbe" geht es um unsere innere Natur, die Ressourcenausbeutung fördert. Können wir es dennoch schaffen, die uns umgebende Natur zu bewahren?

Peter WohllebenIch denke schon, doch der aktuelle Ansatz ist oft nicht gut. Politik appelliert an den Verstand, sie müsste aber viel mehr ans Herz appellieren. Ein Beispiel: Der Schutz von Walen hat funktioniert, ohne dass alle Menschen tief in die Meeresbiologie eingestiegen sind. Einfach weil sie Mitleid mit Buckelwalen oder Blauwalen hatten. Dadurch wurde der Druck so groß, dass Politik in fast allen Ländern entschieden hat, Waljagd nicht mehr zu erlauben. Es geht immer über emotionale Ansprachen. Über das Mitleid oder einfach die Empathie mit Mitgeschöpfen. Das versuchen wir zu vermitteln und dadurch eine Aufbruchsstimmung zu schaffen. Sieht man dann Erfolge – und auch die wirken ja, wenn sich Dinge vor der Haustür zum Besseren wandeln, in Form von Glücksgefühlen emotional –, dann befeuert das die Menschen weiterzumachen. Das hat so ähnlich auch beim Waldsterben Ende der 70er-, Anfang der 80er-Jahre funktioniert. Da ließen sich auf einmal sehr schnell Maßnahmen zur Luftreinhaltung durchsetzen, die den Wald damals gerettet haben.

Momentan wird zwar auch an vielen Ecken und Enden die emotionale Klaviatur gespielt, aber in Moll, da wird erstmal das ganze Drama aufgezeigt. Das ist wichtig, aber auf der anderen Seite fehlen mir die positiven Meldungen. Wenn wir Menschen mit negativen Dingen überfrachten, wenden sich viele ab, weil sie es nicht mehr hören können und fatalistisch werden.

Gegen Fatalismus in Sachen Natur und Naturschutz wirken auch spannende Waldfakten, die Menschen staunen lassen. Können Sie Beispiele nennen?

Peter WohllebenBäume leben in Sozialgemeinschaften. Das ist wissenschaftlich gut untersucht. Zum Beispiel kümmern sich Mutterbäume um ihren Nachwuchs und versorgen ihn über Wurzeln mit Zuckerlösung. Auch kranke Exemplare profitieren von auf diesem Weg zugepumptem Zucker. Das würde man Bäumen eigentlich gar nicht zutrauen. Also sie sind keine Individualisten, sondern arbeiten zusammen. Und Bäume können sogar mit Tieren kommunizieren, zum Beispiel Vögeln. Es gibt eine Untersuchung aus dem Leipziger Auwald, der zufolge Eichen über chemische Signale Vögel zur Hilfe rufen können, wenn sie von Raupen befallen werden, damit die Vögel Raupen von den Blättern picken. Es ist schon spannend, was zu Bäumen und Wald aktuell an Forschung läuft.

Das komplette Interview mit Peter Wohlleben lesen Sie in der aktuellen Ausgabe des Apotheken Magazins und ab 31. Mai 2024 hier!

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