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23.05.2022
Die Erreger der Pocken und der Affenpocken sind so nah verwandt, dass die Pockenimpfung gegen beide schützt. Seitdem das Pockenvirus 1980 weltweit als ausgerottet gilt, wurden die massiven Impfkampagnen, die das ermöglicht hatten, eingestellt. Über die Jahrzehnte ist der Immunschutz gegen das Virus weltweit stark gesunken. Schätzungen zufolge sind etwa 70 Prozent der Weltbevölkerung nicht mehr gegen Pocken geschützt, wodurch auch der Schutz gegen Affenpocken rückläufig ist. Das könnte zu den aktuell gehäuften Infektionen beitragen, vermuten Wissenschaftler. Zudem deute der aktuelle Ausbruch auf eine veränderte Mensch-zu-Mensch-Übertragung hin, twitterte der Virologe Professor Dr. Leif Erik Sander von der Berliner Charité.
Europäische Behörde empfiehlt Impfung
Vor diesem Hintergrund könnten Nachimpfungen helfen, um die Verbreitung des Affenpockenvirus einzudämmen. Aber auch nachträgliches Impfen der Kontaktpersonen von Infizierten kann hilfreich sein. Wenn die Impfung innerhalb von vier Tagen nach der Infektion erfolge, könne sie den Krankheitsverlauf modifizieren oder den Ausbruch der Erkrankung sogar verhindern, schreibt das Team um den britischen Virologen Karl Simpson in der Fachzeitschrift „Vaccine“.
Entsprechend empfiehlt die europäische Seuchenschutzbehörde ECDC nun auch, dass enge Kontakte von Infizierten nach einer Nutzen-Risiko-Analyse einen Pockenimpfstoff erhalten könnten, wenn dieser verfügbar ist. In Großbritannien werden entsprechende Ringimpfungen bereits durchgeführt.
Keine Narbe wie von altem Pockenimpfstoff
In der EU ist ein Impfstoff gegen Pocken zugelassen. Bei dem Präparat handelt es sich um einen Lebendimpfstoff, der auf einem veränderten Pockenvirus, dem Modifizierten Vacciniavirus Ankara (MVA), basiert. Er ist in der EU ab 18 Jahre ausschließlich zur Immunisierung gegen Pocken zugelassen, wird aber ohne Zulassung auch gegen Affenpocken eingesetzt. In den USA und Kanada hat er laut Hersteller eine Zulassung für beide Anwendungen.
Das Impfvirus ist so verändert, dass es im Menschen weder eine Krankheit auslösen noch sich vermehren kann. Die Pockenimpfstoffe, die vor der Ausrottung des Erregers vor über 40 Jahren eingesetzt wurden, enthielten dagegen noch replikationsfähige Viren. An der Einstichstelle der Impfung am Oberarm bildete sich aufgrund der Vermehrung des Impfvirus eine Hautläsion, die später die charakteristische Narbe der Pockenimpfung hinterließ. Es bestand die Gefahr, dass sich das Impfvirus in andere Regionen des Körpers verbreitete oder sogar auf Kontaktpersonen des Geimpften übertragen wurde. Dieses Risiko besteht bei dem aktuellen Impfstoff nicht, heißt es auf der Informationsseite der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) zu dem Präparat.