Herr Dr. Kitz, was steht unserer Motivation beispielsweise beim Abnehmen oft im Weg?
Kitz: Das zeigt sich vor allem bei den negativen Vorsätzen, wie sie beim Abnehmen oft vorkommen, denn dabei geht es meist darum, bestimmte Sachen nicht mehr zu essen. Negative Vorsätze sind oft nicht nur zum Scheitern verurteilt, sondern sie können vielmehr dazu führen, dass es hinterher noch viel schlimmer ist, als es vorher war. Experimente dazu zeigen, dass Menschen, die nur fünf Minuten lang nicht an Schokolade denken sollen, hinterher viel mehr Schokolade essen als Leute, die von vorneherein nach Herzenslust zugreifen durften. Denn unterdrückte Gedanken erlangen im Gehirn Übermacht, weil es sie ständig parat haben möchte, um zu wissen, was es nicht mehr tun oder denken darf.
Wie kann man übermächtige Gedanken und negative Vorsätze überlisten?
Kitz: Hier hat sich die sogenannte fokussierte Ablenkung als wirksame Methode bewährt. Wenn ich mir von vorneherein eine Sache zurechtlege, an die ich automatisch denke, wenn der verbotene Gedanke kommt, also zum Beispiel an ein rotes Auto oder an eine Giraffe, dann kann ich damit zumindest den Rückfalleffekt vermeiden. Das ist in Experimenten belegt. Die Aufmerksamkeit wurde dort auf den Gedanken an ein rotes Auto abgelenkt. Übt man das, dann wird der unerwünschte Gedanke irgendwann automatisch umgeleitet.
Bei negativen Vorsätzen kann ich überlegen, ob ich sie in etwas Positives umkehre. Ich könnte mir zum Beispiel sagen, ich esse so viel Schokolade wie bisher, bewege mich dafür aber mehr, um meinen Energieverbrauch zu steigern.
Was hilft langfristig gegen kulinarische Versuchungen?
Kitz: Eine gute Strategie ist die, sich keine Versuchungen zu schaffen. Die Schokolade wächst ja nicht zu Hause an der Wand, sondern die ist nur da, wenn ich sie einkaufe. Wenn ich das erst gar nicht mache, dann hilft das schon sehr.
Welche Motivationshilfe erweist sich noch als wirksam?
Kitz: Für mich persönlich steht die Technik der kleinen Schritte ganz vorne. Wenn ich mir zum Beispiel vornehme, nun regelmäßig zu joggen, dann wirkt es demotivierend, wenn ich damit nicht beginne, weil ich anscheinend nicht genug Zeit finde. Viel besser ist es, wenigstens einmal um den Block zu laufen als gar nicht – auch wenn es nur zwei Minuten sind. Das hat zwar noch keinen körperlichen Effekt, aber einen ganz großen psychischen. Nach diesen zwei Minuten gehe ich nämlich nicht frustriert zu Bett, sondern motiviert, denn ich habe mit meinem Vorhaben begonnen. Diese Motivation hilft, dass es am nächsten Tag vielleicht schon fünf Minuten werden und irgendwann einmal eine halbe Stunde. Wichtig ist, auch ganz winzige Schritte zu machen und niemals zu denken, für irgendetwas sei die Zeit zu kurz.
Wie kann man planvoll vorgehen, wenn man abnehmen möchte?
Kitz: Es ist wichtig, den Zeitpunkt zu berücksichtigen. Normalerweise würde man am besten sofort mit allem anfangen, aber es kann tatsächlich auch der falsche Zeitpunkt sein. Gewohnheiten zu ändern, bedeutet immer einen riesigen Aufwand für das Gehirn. Dazu braucht es freie Kapazitäten. Wenn es die nicht hat, weil sie zum Beispiel akut durch viel Stress belegt sind, dann klappt es nicht. Die Aussage "Momentan ist ein schlechter Zeitpunkt für mich, um mit einer Diät anzufangen" ist nicht immer nur eine Ausrede. Wenn ich allerdings feststelle, dass nie der richtige Zeitpunkt ist, dann muss ich mal schauen, was ich sonst an meinen allgemeinen Lebensumständen ändern kann, was mir diesen Dauerstress verursacht. Bei vielen Leuten, die das Abnehmen partout nicht schaffen, liegt es an einer Dauerstress quelle, die ihnen die Kapazitäten raubt, Gewohnheiten zu ändern.
Was kann man machen, um nicht wieder in alte Verhaltensmuster zurückzufallen?
Kitz: Um schlank zu bleiben, gelten genau die Grundsätze, die angewandt wurden, um schlank zu werden. Es ist leider nicht so, dass ich abgenommen habe, und dann geht es weiter wie zuvor. Denn natürlich werde ich wieder wie vorher, wenn ich mich so verhalte wie vorher. Zum Schlankbleiben gehört deshalb, die Regeln, die beim Abnehmen galten, weiterhin konsequent anzuwenden. Das ist die harte Wahrheit. Nach einiger Zeit werden die Veränderungen zur Gewohnheit, und irgendwann ist es kein großes Opfer mehr zum Beispiel am Schokoladenregal vorbeizugehen, ohne etwas zu kaufen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Die Fragen stellte Apothekerin Isabel Weinert.