Kein Essen und auch keinen Schluck zu trinken: Wenn Muslime den religiösen FastenmonatRamadan begehen, üben sie sich im totalen Verzicht. Der Ramadan richtet sich nach dem Mondkalender und verschiebt sich jedes Jahr. 2020 endet er am 22. Mai. Der Ramadan ist eine der fünf Säulendes Islam, und deshalb für jeden Gläubigen besonders wichtig. Chronisch Kranke wie Diabetiker müssen laut Koran nicht zwingend fasten, sie könnten auch täglich einen Armen speisen oder einen Geldbetrag spenden. Dennoch wollen knapp 80 Prozent der gläubigen Muslime nicht darauf verzichten. Dr. Alain Barakat, muslimischer Diabetologe aus
Duisburg, sagt: "Dann ist es die Aufgabe des Arztes, diese Patienten gut durch die Fastenzeit zu führen, ohne dass Komplikationen auftreten."
Vorsicht Unterzucker
Ob das Fasten durchgeführt werden kann, hängt von vielen Faktoren ab, denn der Diabetes tritt in sehr unterschiedlichen Formen auf. "Handelt es sich um einen Typ 1 oder Typ 2, gibt es Komplikationen wie Nerven- oder Nierenschäden? Das sind wichtige Fragen, die vorab geklärt werden müssen", sagt Barakat. "Bei einem Typ-1-Diabetiker rate ich grundsätzlich davon ab zu fasten. Ebenso wenn Patienten in den vergangenen drei Monaten vor dem Ramadan eine schwere Unterzuckerung, Durchblutungsstörungen, Nierenschwäche oder eine Stoffwechselentgleisung hatten, wenn sie im Koma waren oder schwanger sind."
Als problematische Patientengruppe in punkto Fasten gelten auch Typ-2-Diabetiker, die Insulin spritzen oder Sulfonylharnstoffe nehmen. "Beide senken den Blutzucker und können daher zu einer Unterzuckerung führen. Wer darauf angewiesen ist, sollte während des Fastenmonats nicht auf Essen und Trinken verzichten", erklärt Barakat. Patienten, die Medikamente nehmen, welche keine Unterzuckerung hervorrufen, können fasten, sofern keine anderen Risiken bestehen. Diabetikern, die SGLT2-Inhibitoren nehmen, rät der Arzt, darauf zu achten, dass sie während der Zeit, in der sie essen dürfen, auch ausreichend trinken. Nehmen sie zu wenig Flüssigkeit auf, könnte bei ihnen eine erhöhte Keimbelastung in der Blase auftreten. All das kann ein Arzt, der sich mit den Details und Bedingungen des Fastens im Ramadan auskennt, beurteilen. In einigen Fällen ist es notwendig, die Medikation umzustellen, oder bestimmte Ernährungsempfehlungen auszusprechen, um die entbehrungsreiche Zeit gesund und ohne Komplikationen zu überstehen. "Der Arzt sollte auch wissen, wie intensiv der Patient Sport treibt. Während des Fastens empfiehlt es sich für Diabetiker, sich nur in Maßen zu bewegen", rät Barakat.
Notfalls abbrechen
Auch wenn die Patienten die genauen Empfehlungen des Diabetologen befolgen, kann es dennoch zu Warnsignalen kommen. "Wenn sie eine Unterzuckerung haben, also einen Wert unter 70 Milligramm pro Deziliter, oder einen deutlich zu hohen Wert von etwa 300 Milligramm pro Deziliter haben, dann müssen die Patienten sofort das Fasten abbrechen." Auch starker Durst oder das Auftreten akuter Erkrankungen sind Gründe, sofort aufzuhören.
Außerdem gilt die Regel: Auch Diabetiker im niedrigen Risikobereich sollten während des Fastens zweimal täglich ihren Blutzucker messen. "Wer im höheren Risikobereich liegt und nicht auf das Fasten verzichten will, sollte mindestens vier- bis sechsmal täglich checken", rät Barakat. Eine gute Alternative sind Geräte, die Langzeitmessungen durchführen, da sie rechtzeitig vor einer Unterzuckerung warnen.
Während beim Fasten im Christentum Wassertrinken erlaubt ist, gilt diese Regel nicht im Islam. "Ein Glas Wasser wird schon als Fastenbrechen gewertet", beschreibt Barakat. Wer eine Auszeit vom Fasten nimmt, könne allerdings das Fasten auch zu einem anderen Zeitpunkt fortführen, so der Duisburger Diabetologe.
Esther Langmaack